321
IV. Deliktische Haftung
1. Grundlagen
Nach bisheriger Rechtslage sehen Art. 40 - 42 EGBGB autonome deutsche Kollisionsnormen2565 für den Bereich der unerlaubten Handlung vor. Die Ermittlung des
Deliktsstatuts ist von besonderem Interesse. Schließlich beinhaltet die englische
professional liability des Rechtsanwalts eine außervertragliche Haftung aus tort für
die fahrlässige Verletzung der Rechtsgüter Dritter, die funktional dem deutschen
Verständnis des Deliktsrechts entspricht.2566 Somit ist die Haftung aus negligence
deliktsrechtlich zu qualifizieren. Sofern das internationale Deliktsrecht die Anwendung englischen Rechts vorsähe, wäre vorbehaltlich eines möglichen Renvoi2567
eine Haftung des Gesellschafters der LLP aus negligence gegeben. Die nach englischem Recht gegebene Parallelität der Haftung des Gesellschafters und der LLP
wird durch das herkömmliche Verständnis des Anwendungsbereichs des Gesellschaftsstatuts nicht gewährleistet.2568
2. Bisherige Rechtslage
a) Lex loci delicti commissi
In Art. 40 Abs. 1 EGBGB ist die Tatortregel (lex loci delicti commissi) gesetzlich
festgeschrieben worden.2569 Ansprüche aus unerlaubter Handlung unterliegen dem
Recht am Handlungsort.2570 Unter dem Handlungsort versteht man den Ort, an dem
die maßgebliche Ursache für die Rechtsverletzung gesetzt worden ist.2571 Der Verletzte kann bei grenzüberschreitenden Delikten stattdessen das am Erfolgsort geltende Recht wählen.2572 Bei reinen Vermögensschäden ist der Erfolgsort der Lageort
des Vermögens.2573 Bei Beratung eines Mandanten in Deutschland ist regelmäßig
davon auszugehen, dass der ursächliche Beratungsfehler in Deutschland erfolgt und
dass es zu einem Schaden an in Deutschland belegenem Vermögen kommt. Somit
fallen Handlungs- und Erfolgsort nicht auseinander, so dass gemäß Art. 40 Abs. 1
2565 MünchKomm/Junker, Vor Art. 38 EGBGB Rdnr. 5 u. Art. 40 EGBGB Rdnr. 8.
2566 Siehe zur Rechtsvergleichung Zweigert/Kötz, § 40 III, S. 610ff.; v. Bernstorff, S. 101ff.
2567 Zum englischen internationalen Deliktsrecht s. Brown, S. 173ff.; Staudinger/v. Hoffmann
(1998), Art. 38 EGBGB Rdnr. 48.
2568 Siehe oben Teil 3 C II 2, 6 .
2569 MünchKomm/Junker, Art. 40 EGBGB Rdnr. 22; Palandt/Heldrich, Art. 40 EGBGB Rdnr. 2.
2570 Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB.
2571 Palandt/Heldrich, Art. 40 EGBGB Rdnr. 4.
2572 Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB.
2573 MünchKomm/Junker, Art. 40 EGBGB Rdnr. 32; Palandt/Heldrich, Art. 40 EGBGB Rdnr. 5.
322
S. 1 EGBGB deutsches Recht anwendbar wäre.2574 Nach deutschem Deliktsrecht ist
der Vermögensschaden des Mandanten im Allgemeinen nicht ersatzfähig.2575
b) Lex domicilii communis
Allerdings ist in Art. 40 Abs. 2 EGBGB eine vorrangige Sonderanknüpfung an den
gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort (lex domicilii communis) vorgesehen.2576
Unter dem gewöhnlichen Aufenthaltsort einer natürlichen Person versteht man deren
tatsächlichen Lebensmittelpunkt.2577 Bei Gesellschaften ist auf den Ort der Hauptniederlassung bzw. der Niederlassung, die auf Schädigerseite kausal an dem Haftungsereignis beteiligt ist, abzustellen.2578 Bei Beratung eines in Deutschland ansässigen Mandanten durch eine in Deutschland niedergelassene LLP begründet diese
Sonderanknüpfung die Anwendbarkeit deutschen Rechts.2579 Dies gilt auch für Ansprüche gegen den Gesellschafter, der regelmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hat.
c) Akzessorische Anknüpfung
aa) Grundlagen
Allerdings sieht Art. 41 Abs. 1 EGBGB vor, dass bei Bestehen einer wesentlich
engeren Beziehung zum Recht eines anderen Staates eine akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts an diese Rechtsordnung vorzunehmen ist. Es erfolgt eine
Sachnormverweisung.2580 Dies könnte zur Anwendung der englischen Prinzipien der
professional liability führen. Eine wesentlich engere Beziehung kann sich aus einer
besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten ergeben.2581 Erforderlich ist, dass ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und Handlungen, die in Durchführung der Sonderbeziehung erfolgen,
besteht.2582 Dies ist der Fall, wenn das Schadensereignis auf der Verletzung einer
Pflicht aus der rechtlichen Sonderbeziehung beruht.2583
2574 Ähnlich Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1395.
2575 Zu den Einzelheiten siehe oben Teil 3 B I 3.
2576 MünchKomm/Junker, Art. 40 EGBGB Rdnr. 52.
2577 MünchKomm/Junker, Art. 40 EGBGB Rdnr. 56.
2578 Art. 40 Abs. 2 S. 2 EGBGB; siehe MünchKomm/Junker, Art. 40 EGBGB Rdnr. 61.
2579 Art. 40 Abs. 2 EGBGB; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1395.
2580 Staudinger/v. Hoffmann, Vorb. Art. 40 EGBGB Rdnr. 69.
2581 Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB; s. MünchKomm/Junker, Art. 41 EGBGB Rdnr. 21.
2582 MünchKomm/Junker, Art. 41 EGBGB Rdnr. 21.
2583 MünchKomm/Junker, Art. 40 EGBGB Rdnr. 68.
323
bb) Beziehung zwischen Mandant und LLP
Zwischen dem Mandanten und der LLP besteht ein Anwaltsvertrag, der eine rechtliche Sonderbeziehung entstehen lässt. Der Vermögensschaden ist auf die Vertragsverletzung zurückzuführen. Mithin ist eine akzessorische Anknüpfung an das
Vertragsstatut gerechtfertigt.2584 Da das Vertragsstatut deutsches Recht ist und die
Anknüpfung nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB bzw. Art. 40 Abs. 2 EGBGB ebenfalls zur
Geltung deutschen Rechts führt, entsteht jedoch keine wesentlich engere Verbindung zum Recht eines anderen Staates.
cc) Beziehung zwischen Mandant und Gesellschafter
Es besteht kein Vertrag zwischen dem Mandanten und dem Gesellschafter, so dass
eine akzessorische Anknüpfung an das Vertragsstatut ausscheidet. Möglich ist eine
akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut.2585 Das englische Recht ist
Gesellschaftsstatut2586, so dass englisches Deliktsrecht anwendbar sein könnte. Die
Haftung aus negligence, welche durch die vorstehende2587 Anwendung des Kollisionsrechts wegfällt, wäre wieder gegeben. Rechtliche Beziehungen können die akzessorische Anknüpfung, insbesondere an ein bereits zwischen den Beteiligten bestehendes vertragliches Schuldverhältnis begründen.2588 Der Gesellschaftsvertrag
betrifft die Gesellschafter und regelt die Innenbeziehungen, so dass er keine Grundlage einer rechtlichen Beziehung zwischen Gesellschafter und Dritten bildet.
Fraglich ist, ob sich eine besondere Beziehung i. S. v. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1
EGBGB aus dem sachlichen Zusammenhang zwischen dem haftungsbegründenden
Verhalten und gesellschaftsrechtlichen Pflichten ergeben kann.2589 Der Referentenentwurf zum internationalen Gesellschaftsrecht lässt die Frage, ob bei Verletzung
einer gesellschaftsrechtlichen Pflicht die deliktische Haftung dem Gesellschaftsstatut unterliegt oder gesondert angeknüpft werden soll, bewusst offen und weist der
Rechtsprechung die Aufgabe zu, interessengerechte Ergebnisse im Einzelfall 2590
zu erzielen.2591 In Deutschland wird die akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut hauptsächlich in Bezug auf die Verwirklichung deutscher gesellschaftsrechtlicher Schutzkonzepte durch Anwendung des deutschen Deliktsrechts diskutiert.
2584 Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1395.
2585 MünchKomm/Sonnenberger, Vorb. Art. 40 EGBGB Rdnr. 31; a. A. MünchKomm/Kindler,
IntGesR Rdnr. 673.
2586 Siehe oben Teil 3 C II 1.
2587 Siehe oben Teil 3 C II 2, 6.
2588 Kropholler, § 53 IV4; Looschelders, Art. 41 EGBGB Rdnr. 13f.
2589 Bejahend Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620; ablehnend Wachter, DStR 2005, 1817, 1821.
2590 Ref-E IntGesR, Zu Art. 10 Abs. 2 Nr. 8, S. 12.
2591 Ref-E IntGesR, Zu Art. 10 Abs. 2 Nr. 8, S. 12.
324
Beispielsweise wurde für das bisherige2592 Konzept der gesellschaftsrechtlich zu
qualifizierenden Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs2593 die akzessorische Anknüpfung einer etwaigen zusätzlichen Haftung aus § 826 BGB an das ausländische Gesellschaftsstatut in Betracht gezogen.2594 Der BGH hat eine Parallelität
des existenzvernichtenden Eingriffs als eigenständige Haftungsfigur und der Haftung aus § 826 BGB in einem Inlandsfall impliziert, indem aufgrund der Bejahung
von § 826 BGB offen gelassen wurde, ob ein existenzvernichtender Eingriff
vorlag.2595
Nachstehend ist zu zeigen, dass die Änderung des Haftungskonzepts des existenzvernichtenden Eingriffs durch den BGH, welches nicht mehr eine eigenständige
Haftungsfigur der Durchgriffshaftung, sondern eine reine Innenhaftung aus § 826
BGB darstellt2596, keinesfalls in Frage stellt, dass im Allgemeinen eine akzessorische
Anknüpfung bei Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten zu bevorzugen ist.
Zunächst soll jedoch das Abstellen auf Art. 41 EGBGB unter Berücksichtigung der
bisherigen Literaturauffassungen zum früheren Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung als potentielles praktisches Beispiel der akzessorischen Anknüpfung diskutiert werden.
Eine Literaturansicht rechtfertigt die akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts
an das Gesellschaftsstatut damit, dass gläubigerschützende gesellschaftsrechtliche
Pflichten verletzt wurden.2597 Hingegen lehnt die Gegenmeinung dies auch bei sachlichem Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Pflichten ab.2598 Bei Scheinauslandgesellschaften bestehe außer der Gründung keine echte Beziehung zur ausländischen Rechtsordnung2599 und das deliktische Verhalten gehe in der Regel über die
Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten hinaus2600. Zusätzlich verweist diese
Gegenansicht2601 auf ein neueres Urteil des BGH2602. Der BGH lehnte zwar die Anwendbarkeit von § 11 Abs. 2 GmbHG auf eine ausländische Gesellschaft mit Sitz in
Deutschland bei fehlender Eintragung der deutschen Zweigniederlassung ab.2603
Allerdings findet sich in den abschließenden Bemerkungen des BGH ein Hinweis,
2592 Zur Änderung des Konzepts der Existenzvernichtungshaftung s. BGH, Urt. v. 16.7.2007 II
ZR 3/04, DB 2007, 1802.
2593 A. A. Weller, S. 223ff., S. 282.
2594 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
2595 BGH, Urt. v. 20.10.2004 XII ZB 35/04, NJW 2005, 145; s. Eidenmüller, NJW 2005, 1618,
1620.
2596 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802.
2597 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
2598 Wachter, DStR 2005, 1817, 1821; Hirte/Bücker/Forsthoff/Schulz, § 16 Rdnr. 95.
2599 Wachter, DStR 2005, 1817, 1821; Hirte/Bücker/Forsthoff/Schulz, § 16 Rdnr. 95.
2600 Wachter, DStR 2005, 1817, 1821.
2601 Wachter, DStR 2005, 1817, 1821; ähnlich MünchKomm/Kindler, IntGesR Rdnr. 673.
2602 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016, 1017.
2603 Zu diesem Urteil siehe oben Teil 2 C IX 2 a); zu den Konsequenzen für die LLP siehe oben
Teil 2 C IX 2 b).
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zusätzlichen Sachvortrag auch in Bezug auf eine Haftung nach deutschem Recht zu
halten.2604
Doch ist dieser richterliche Hinweis kein Wegweiser für zukünftige Entwicklungen. Es erfolgt keine rechtliche Prüfung. Daher können keine Schlüsse hinsichtlich
des Problemfelds der kollisionsrechtlichen Qualifikation gezogen werden.2605 Überdies könnten sich die Erörterungen des BGH auf das Vorliegen eines Eingehungsbetruges beziehen.2606 Zudem kann die Ablehnung der akzessorischen Anknüpfung
nicht auf eine Differenzierung zwischen echten Auslandsgesellschaften und
Scheinauslandsgesellschaften gestützt werden. Denn die Gründung ist kein isolierter Vorgang, sondern beinhaltet die Wahl des Gründungsrechts im gesamten Bereich
dessen, was kollisionsrechtlich als Gesellschaftsstatut gilt. Dies gilt unabhängig vom
Ort des Verwaltungssitzes. Die Gründung vermittelt eine vollwertige Beziehung der
Gesellschaft zum maßgeblichen Gründungsrecht. Auch in europarechtlicher Hinsicht ist die Ungleichbehandlung der Scheinauslandsgesellschaft wenig überzeugend.
Aus kollisionsrechtlicher Perspektive ist festzustellen, dass eine auf der Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten basierende Haftung nach deutschem Deliktsrecht nicht zur Durchsetzung deutscher gesellschaftsrechtlicher Schutzkonzepte
führen sollte. Mittlerweile wird die Gründungstheorie gegenüber EU-
Auslandsgesellschaften angewendet.2607 Daher sollten mögliche gesellschaftsrechtliche Schutzpflichten nicht dem deutschen Gesellschaftsrecht als dem Sitzrecht, sondern ausschließlich dem englischen Gesellschaftsrecht als Gründungsrecht entnommen werden.2608 Auch der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht scheint die
akzessorische Anknüpfung z B. von Ansprüchen nach § 823 Abs. 2 BGB wegen
Verletzung gesellschaftsrechtlicher Schutzvorschriften zu befürworten.2609
Das Gesellschaftsstatut gilt unter anderem für die funktionsbezogene Haftung der
Gesellschafter. Daher ist es nicht möglich, z. B. neben das nach der bisherigen
Rechtsprechung des BGH als eigenständige Rechtsfigur anzusehende deutsche gesellschaftsrechtliche Haftungsinstrument des existenzvernichtenden Eingriffs eine
zusätzliche Haftung aus § 826 BGB treten zu lassen, indem man durch die deliktsrechtliche Qualifikation die Anwendung deutschen Deliktsrechts herbeiführt.2610
Nicht nur für das Beispiel des § 826 BGB beim existenzvernichtenden Eingriff
gilt, dass bei Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten eine akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut vorzugswürdig ist, wenn es um die deliktische
Haftung aufgrund der Verletzung von gesellschaftsrechtlichen Pflichten geht.2611
Zudem ändert die bloße Verdoppelung der Haftungsgrundlage infolge einer Um-
2604 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016, 1017.
2605 Ähnlich Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
2606 Goette ZIP 2006, 541, 545.
2607 Siehe oben Teil 2 B V 2 d) aa), bb), dd).
2608 Ähnlich Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
2609 Sonnenberger/Bauer, Beilage 1 zu RIW, Heft 4/2006, 1, 15f.
2610 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620; Goette, ZIP 2006, 541, 545.
2611 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
326
etikettierung der Existenzvernichtungshaftung als deliktische Haftung nichts an den
marktzugangsbeschränkenden Konsequenzen.2612 Wird das der deutschen Deliktsvorschrift innewohnende Potential einer Haftungsanordnung ausgeschöpft und mit
den deutschen gesellschaftsrechtlichen Schutzkonzepten kombiniert, um als Transportnorm die Vorstellungen des deutschen Gesellschaftsrechts in den Bereich der
für die englische Gesellschaft geltenden Normen zu manövrieren, erfolgt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die kaum zu rechtfertigen ist.2613
Dies gilt auch bei einer Kombination von § 823 Abs. 2 BGB mit ausländischen
gesellschaftsrechtlichen Schutzgesetzen, soweit diese bei § 823 Abs. 2 BGB Relevanz gewinnen.2614 Schließlich ist die verletzte Pflicht, welche Grundlage einer
deliktischen Haftung bildet, dem englischen Gründungsrecht zu entnehmen, so dass
die Sanktion gleichfalls dem Gesellschaftsstatut unterstellt werden sollte.2615 Bei
einem Bausatzmodell , welches die Kombinationslösung aus Bauelementen des
ausländischen Gesellschaftsrechts zur Haftungsbegründung und des inländischen
Deliktsrechts zur Haftungsanordnung beinhaltet, entsteht das Risiko des Auseinanderreißens funktioneller Zusammenhänge.2616 Immerhin könnte die deliktische Haftung über die nach dem Gesellschaftsstatut bei Verletzung dieser gesellschaftsrechtlichen Pflicht gegebene Haftung hinausgehen.2617 Die europarechtliche Rechtfertigung dieser Haftungsextension ist kaum möglich.2618
Auch die Änderung der Rechtsprechung des BGH zur Haftungsfigur des
existenzvernichtenden Eingriffs, welche nicht mehr eine eigenständige Haftungsfigur, sondern als Fallgruppe des § 826 BGB eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft darstellt2619, beraubt die anhand des früheren Haftungsmodells entwickelten
Literaturansichten zur akzessorischen Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut nicht
ihrer Grundlage. Vielmehr wird deren Überzeugungskraft durch die Trendwende des
BGH2620 im Nachhinein unterstrichen.
Zwar befürwortet eine Ansicht aufgrund der Einordnung als Fallgruppe des § 826
BGB2621 eine deliktische Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung.2622 Dabei
wird ohne vertiefende kollisionsrechtliche Betrachtung dargelegt: Da sich der
Tatort eines existenzvernichtenden Eingriffs in eine Ltd. mit Verwaltungssitz in
2612 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620; Eidenmüller/Rehm, § 5 Rdnr. 11.
2613 Goette, DStR 2006, 139, 146; ähnlich Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
2614 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
2615 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
2616 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
2617 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
2618 Ähnlich Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620.
2619 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802; kritisch und für eine Außenhaftung
plädierend Schwab, ZIP 2008, 341.
2620 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802.
2621 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1803.
2622 Dierksmeier, Anm. zu BGH, Beschl. v. 7.5.2007 II ZB 7/06, BB 2007, 1861, 1862; Paefgen, DB 2007, 1907, 1912; Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194, 1195f.; auch Leuering, ZRP 2008, 73, 76 spricht sich für eine deliktische Qualifikation aus, wobei auf die neuere BGH-Rechtsprechung nicht eingegangen wird.
327
Deutschland nicht in Großbritannien befinden wird, kommt man zur Anwendung
deutschen Rechts. 2623 Auch wird die Haftungsfigur als Bestandteil der lex loci
delicti nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB 2624 gegenüber Auslandsgesellschaften, die ihren
tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland haben, in Stellung gebracht.2625 Es
handele sich bei dem Haftungsinstitut um eine Norm des allgemeinen Verkehrsrechts, die für in- und ausländische Gesellschaften gleichermaßen gilt. 2626
Diese Auffassung weist Schwachstellen auf.2627 In dem Bestreben, die Auslandsgesellschaft bzw. die englische Ltd so engmaschig wie möglich dem deutschen
Recht zu unterstellen, werden die über diesen Problemkreis hinausgehenden, durchaus bedenklichen Konsequenzen der Tatortanknüpfung nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB
nicht hinreichend berücksichtigt. Überdies wäre auch nach dieser Ansicht die Erfassung der Auslandsgesellschaft nicht ohne weiteres zu gewährleisten.
Schließlich könnte der Gesellschafter durch die strategische Wahl des Vornahmeortes der Handlung den Handlungsort im Sinne von Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB
manipulieren. Auch ist bei einem Vermögensschaden der Erfolgsort nach Art. 40
Abs. 1 S. 2 EGBGB der Belegenheitsort des Vermögens2628, welcher nicht notwendigerweise identisch mit dem Sitz der Hauptverwaltung sein muss. Denn das unmittelbar geschädigte Vermögen ist bei der reinen Innenhaftung das Gesellschaftsvermögen, nicht das Vermögen der Gläubiger.2629 Hingegen ist eine Außenhaftung
gegenüber Gesellschaftsgläubigern grundsätzlich ausgeschlossen.2630
Mithin kann sowohl das Abstellen auf Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB (Handlungsort) als auch auf Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB (Erfolgsort) darin resultieren, dass
weder Gründungs- noch Sitzrecht anwendbar sind. Es erfolgt eine Abkoppelung der
Bestimmung des anwendbaren Rechts von dem Gesellschaftsrecht des Gründungsund des Sitzstaates. Überdies könnte die Anwendung des Tatortprinzips sogar bedeuten, dass die Frage, ob ein existenzvernichtender Eingriff vorliegt, bei mehreren
Handlungen verschiedenen Rechten unterliegt. Der Gesellschafter müsste potentiell
eine Vielzahl von möglicherweise widersprüchlichen Rechtsordnungen beachten.
Hinzu treten praktische Schwierigkeiten, insbesondere bei der Feststellung der zur
Ermittlung des anwendbaren Rechts maßgeblichen Umstände.
Zudem sollte nicht übergangen werden, dass die Tatortanknüpfung nach Art. 40
Abs. 1 EGBGB das überraschende Resultat rechtfertigt, dass die Existenzvernich-
2623 Dierksmeier, Anm. zu BGH, Beschl. v. 7.5.2007 II ZB 7/06, BB 2007, 1861, 1862; auch
Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194, 1196, verweisen auf die Tatortanknüpfung nach
Art. 40 Abs. 1 EGBGB.
2624 Paefgen, DB 2007, 1907, 1912.
2625 Paefgen, DB 2007, 1907, 1912.
2626 Paefgen, DB 2007, 1907, 1912.
2627 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 301f.; auch Sester, Anm. zu BGH, Urt. v. 16.7.2007
II ZR 3/04, RIW 2007, 787, 789; stellt die Anwendbarkeit von Art. 40 EGBGB in Frage;
Schanze, NZG 2007, 681, 686 spricht sich gegen die deliktische Qualifikation aus.
2628 MünchKomm/Junker, Art. 40 EGBGB Rdnr. 32; Palandt/Heldrich, Art. 40 EGBGB Rdnr. 5.
2629 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1804, 1805.
2630 Schröder, GmbHR 2007, 934, 935; Theiselmann, GmbHR 2007, 904, 906f.
328
tungshaftung auf eine deutsche GmbH keine Anwendung findet. Diese Problematik
wird dadurch verschärft, dass die GmbH in Zukunft am internationalen Markt der
Rechtsformen für den Handel freigegeben werden soll. Das MoMiG läuft auf eine
Aufgabe der Sitztheorie hinaus und soll den Export der GmbH gestatten.2631 Durch
den Referentenentwurf zum internationalen Gesellschaftsrecht soll auch außerhalb
der EU der Übergang zur Gründungstheorie vollzogen werden.2632
Auch bei Anwendung der allgemeinen Kollisionsregeln der Rom II-
Verordnung2633, die ab dem 11. Januar 2009 das internationale Deliktsrecht harmonisiert, werden die vorstehend dargelegten Ungereimtheiten der Tatortanknüpfung
auftreten. Nach der Rom II-Verordnung ist grundsätzlich das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt.2634 Daher könnten, ähnlich wie bei Art. 40
Abs. 1 S. 2 EGBGB, weder das Gründungs- noch das Sitzrecht zur Anwendung
berufen werden. Den nicht zu befürwortenden Konsequenzen der Gegenauffassung
kann auf europäischer Ebene in Zukunft durch die in Art. 1 Abs. 2 d) Rom II-
Verordnung vorgesehene Ausklammerung außervertraglicher Schuldverhältnisse,
die sich aus dem Gesellschaftsrecht ergeben, wie die innere Verfassung, ein Riegel
vorgeschoben werden.2635
Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage ist eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation des existenzvernichtenden Eingriffs vorzunehmen. Es sprechen
gewichtige Argumente für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation des neuen Konzepts der Existenzvernichtungshaftung.2636 Dies gilt insbesondere aufgrund der
durch den BGH vorgenommenen Ausgestaltung dieser Haftung als Innenhaftung des
Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft.2637
2631 § 4 a GmbHG n. F.; vgl. BT, Rechtsausschuss, Begründung der Beschlussempfehlung, BT-
Drucks. 16/9737, Zu Art. 1 Nr. 4, S. 94; siehe auch BR-Drucks. 354/07, MoMiG-RegE,
Begr., Zu Art. 1 Nr. 4, S. 65; Ringe, Anm. zu Urt. des OLG Hamburg v. 30.3.2007 11 U
231/04, GmbHR 2007, 769, 769; Knof/Mock, GmbHR 2007, 852, 856; siehe auch die kritische kollisionsrechtliche Analyse des MoMiG von Hoffmann, ZIP 2007, 1581, 1584ff.
2632 Siehe die Diskussion dieses Referentenentwurfs oben Teil 2 B V 2 d) cc).
2633 Art. 4 Abs. 1 Rom II.
2634 Art. 4 Abs. 1 Rom II.
2635 Auch Wagner, IPRax 2008, 1, 2, wirft die Frage auf, ob die Existenzvernichtungshaftung
vom Anwendungsbereich der Rom II-Verordnung nach Art. 1 Abs. 2 d) Rom II ausgeschlossen sein könnte. Für eine Zuweisung zum Deliktsstatut spreche die Herleitung aus § 826
BGB, dagegen spreche aber die Ausgestaltung als Innenhaftung. Nach Ansicht von Wagner
steht derzeit in den Sternen , wie die aktuelle Haftungsfigur behandelt wird; nach Ansicht
von Staudinger, AnwBl 2008, 316, 323f. ist hingegen eine Einbeziehung in die Rom II-
Verordnung vorzunehmen, die eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation ausschließt.
2636 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 301f.; in diese Richtung tendierend Sester, Anm. zu
BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, RIW 2007, 787, 789; Schanze, NZG 2007, 681, 685f.,
zieht eine insolvenzrechtliche Qualifikation in Betracht, weist aber darauf hin, dass die
Existenzvernichtungshaftung nicht rechtsformneutral ausgestaltet sei und bevorzugt die gesellschaftsrechtliche Qualifikation; zur gesellschaftsrechtlichen Qualifikation tendierend
Gehrlein, WM 2008, 761, 769.
2637 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 301; ähnlich Sester, Anm. zu BGH, Urt. v.
16.7.2007 II ZR 3/04, RIW 2007, 787, 789, wobei darauf hingewiesen wird, dass es sich
329
Zunächst ist die Aussagekraft der Aufgabe des eigenständigen Haftungskonzepts
in vielfältiger Hinsicht begrenzt. Schließlich wird das alleinige Abstellen auf § 826
BGB unter anderem damit begründet, dass die Ausgestaltung als erfolgsbezogene
Verursachungshaftung über die angezeigte Lückenschließung hinausgehe.2638 Ferner
gingen mit der bisherigen Haftungsfigur konzeptionelle Schwierigkeiten auf der
Rechtsfolgenseite einher.2639 Hingegen hebt der BGH hervor, dass es auf der Tatbestandsebene 2640 erforderlich sei, die Ausplünderung 2641 des Vermögens der
Gesellschaft zu sanktionieren.2642
Ferner bildet die Einordnung der Existenzvernichtungshaftung als Fall des § 826
BGB lediglich die Ausgangsbasis für die richterliche Rechtsfortbildung.2643 Der
BGH wählt einen konzeptionell bedenklichen Ansatz,
wenn er jetzt die Existenzvernichtungshaftung ausgerechnet unter § 826 BGB, dem Verkehrsrecht par excellence, zu einer exklusiven Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft umfunktionieren möchte und dabei argumentativ mit den §§ 30, 31 GmbHG hantiert, die für die Ausgestaltung der Haftung nach § 826 BGB wenig hergeben. 2644
Der eigentliche unzweifelhaft innovative Gehalt der Urteilsbegründung wird
erst offenkundig, wenn berücksichtigt wird, dass der existenzvernichtende Eingriff
nunmehr als reine Innenhaftung ausgestaltet wird.2645 Das in § 13 Abs. 2 GmbHG
verankerte Trennungsprinzip wird zukünftig nicht durchbrochen.2646 Die innere
Organisation einer Gesellschaft und insbesondere die Haftung im Innenverhältnis
werden traditionell gesellschaftsrechtlich eingestuft.2647 Dies berührt nicht den kollisionsrechtlichen Problemkreis der Haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern2648.
Nunmehr ist die Existenzvernichtungshaftung als Innenhaftung gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren.2649 Schließlich setzt das neue Schutzmodell 2650 der
beim aktuellen Konzept der Existenzvernichtungshaftung um ein verkapptes gesellschaftsrechtliches Institut handele; auch Schanze, NZG 2007, 681, 685f., verweist auf die spezifische Beziehung zwischen GmbH und Gesellschaftern; auch Gehrlein, WM 2008, 761, 769
hält die Verankerung der Haftung im Innenverhältnis nicht für völlig unbeachtlich; a A. Paefgen, DB 2007, 1907, 1912; Dierksmeier, Anm. zu BGH, Beschl. v. 7.5.2007 II ZB 7/06, BB
2007, 1861, 1862.
2638 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1805.
2639 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1803.
2640 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1803.
2641 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1803.
2642 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1803.
2643 A. A. Staudinger, AnwBl 2008, 316, 320.
2644 Thole, ZIP 2007, 1590, 1593.
2645 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1803.
2646 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1806.
2647 LG Saarbrücken, Beschl. v. 10.12.1951 2 W 36/51; IPRspr. 1950/51, Nr. 15, S. 31; Spahlinger/Wegen, Rdnr. 297; Staudinger/Großfeld, IntGesR Rdnr. 335; Süß/Wachter/Süß, § 1
Rdnr. 68; Süß/Wachter/Kienle, § 3 Rdnr. 56.
2648 Siehe auch oben Teil 3 C II 2.
2649 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 303; i. E. ähnlich Schanze, NZG 2007, 681, 685f.; in
diese Richtung tendierend Sester, Anm. zu BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, RIW 2007,
330
Existenzvernichtungshaftung beim Gesellschaftsvermögen selbst als verletztem
Schutzobjekt und nicht bei den reflexartig geschützten einzelnen Forderungen der
Gläubiger an.2651 Es besteht nur gegenüber der Gesellschaft als Trägerin des Gesellschaftsvermögens die Ersatzpflicht im Rahmen der Innenhaftung.2652 Mithin steht
der Anspruch wegen Existenzvernichtung originär 2653 der Gesellschaft zu.2654
Hinzu kommt, dass der BGH die Haftung aus § 826 BGB im Gleichlauf mit den
gesellschaftsrechtlichen Schutznormen der §§ 30, 31 GmbHG als Innenhaftung
des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft selbst 2655 ausgestaltet hat. Es handele sich um eine gebotene folgerichtige Verlängerung 2656 des in den §§ 30, 31
GmbHG2657 enthaltenen Schutzkonzepts.2658
Dass die in den §§ 30, 31 GmbHG enthaltenen Regelungen zur Erstattung verbotener Rückzahlungen durch den Gesellschafter an die Gesellschaft als genuine
Innenhaftungsansprüche 2659 zum Kernbereich des Gesellschaftsstatuts gehören, ist
kaum anzuzweifeln. Wenn die Existenzvernichtungshaftung das Basisschutzkonzept der §§ 30, 31 GmbHG 2660 ergänzen soll, um eine Schutzlücke zu schlie-
ßen2661 und eine echte Anspruchskonkurrenz zwischen diesen Haftungsgrundlagen
besteht2662, deutet dies auf eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation hin.2663 Schließ-
787, 789; a. A. Staudinger, AnwBl 2008, 316, 325 (deliktische Qualifikation), Paefgen, DB
2007, 1907, 1912; Dierksmeier, Anm. zu BGH, Beschl. v. 7.5.2007 II ZB 7/06, BB 2007,
1861, 1862; auch Weller, ZIP 2007, 1681, 1688, bevorzugt die deliktische Qualifikation, obwohl eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation in Betracht gezogen wird. Eine insolvenzrechtliche Qualifikation scheidet weiterhin nach herrschender Meinung aus, siehe ausführlich
zur Ablehnung der insolvenzrechtlichen Qualifikation Staudinger, AnwBl 2008, 316, 317f.;
siehe auch Schanze, NZG 2007, 681, 685.
2650 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1804.
2651 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1804.
2652 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1804.
2653 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1805.
2654 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1804.
2655 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1804.
2656 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1805.
2657 Zum Erstattungsanspruch nach §§ 31, 30 GmbHG s. BGH, Urt. v. 18.6.2007 II ZR 86/06,
ZIP 2007, 1705.
2658 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1805.
2659 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1805.
2660 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1804.
2661 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1804.
2662 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1806.
2663 In ähnlicher Weise hebt Sester, Anm. zu BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, RIW 2007,
787, 789, hervor, dass es um eine Innenhaftung und die bei §§ 30, 31 GmbHG bestehende
Lücke gehe, und dass die Anwendung von Art. 40 EGBGB in Frage gestellt werde; auch Weller, ZIP 2007, 1681, 1688, spricht sich im Ergebnis zwar für eine deliktische Qualifikation
aus, erkennt jedoch an, dass die Ausgestaltung der Existenzvernichtungshaftung als Innenhaftung, welche eine Verlängerung der gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften der
§§ 30, 31 GmbHG beinhaltet, für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation sprechen könnte;
Staudinger, AnwBl 2008, 316, 320, erkennt zwar an, dass eine Schutzlücke im GmbHG geschlossen werden soll, befürwortet aber eine deliktsrechtliche Qualifikation.
331
lich geht es um eine Ergänzung der §§ 30, 31 GmbHG, die gesellschaftsrechtliche
Gläubigerschutzvorschriften darstellen.2664
Überdies erläutert der BGH:
Der existenzvernichtende Eingriff in das Gesellschaftsvermögen stellt einen Verstoß gegen
die Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen
Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger während der Lebensdauer der GmbH dar; dabei ist
die dem Gesellschafter solchermaßen als Verhaltenspflicht auferlegte Rücksichtnahmepflicht
als das systemimmanente normative Korrelat der Instrumentalisierung der GmbH als haftungsbegrenzende Institution zu verstehen. 2665
Diese dem Gesellschafter auferlegte Rücksichtnahmepflicht bzw. Schutzpflicht
der Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens 2666 ist im Gesellschaftsrecht verwurzelt.2667 Die funktionsbezogene Pflicht wird durch die Gesellschafterposition im Verhältnis zur Gesellschaft ausgelöst.2668 Auch die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens ist Ausdruck der gesellschaftsrechtlichen Prinzipien.2669 Ferner baut die Existenzvernichtungshaftung auf der besonderen Beziehung
zwischen der GmbH und den Gesellschaftern auf und bezieht sich auf die Subjekteigenschaften 2670 bzw. organisationsrechtlichen Eigenschaften 2671 der Gesellschaft.2672 Es geht um Aspekte, welche dem Gesellschaftsrecht zuzuordnen sind, so
dass eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation vorzunehmen ist.2673
Der Referentenentwurf zum Internationalen Gesellschaftsrecht lässt bewusst offen, ob bei Verletzung einer gesellschaftsrechtlichen Pflicht eine Anknüpfung an das
Gesellschaftsrecht in Betracht kommt.2674 Innerhalb der Gegenauffassung wird eine
gesellschaftsrechtliche Qualifikation zumindest in Erwägung gezogen.2675 Überdies
wird die Beschränkung der Anwendung der Existenzvernichtungshaftung durch
kollisionsrechtliche Techniken angestrebt.2676 So spricht sich Weller zwar für eine
deliktsrechtliche Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung aus. Gleichzeitig
wird jedoch eine selbstständige Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut in Bezug auf
die als Vorfrage anzusehenden Frage, ob der gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutz
unzureichend ist, gefordert.2677 Folglich sei die Existenzvernichtungshaftung nur
2664 Ähnlich Sester, Anm. zu BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, RIW 2007, 787, 789.
2665 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1804.
2666 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1805.
2667 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 301.
2668 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 301.
2669 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 301f.
2670 Schanze, NZG 2007, 681, 685.
2671 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 666.
2672 Schanze, NZG 2007, 681, 685.
2673 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 301; Schanze, NZG 2007, 681, 685f.; i. E. ähnlich
Sester, Anm. zu BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, RIW 2007, 787, 789.
2674 Ref-E IntGesR, Zu Art. 10 Abs. 2 Nr. 8, S. 12.
2675 Weller, ZIP 2007, 1681, 1688; Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194, 1195.
2676 Weller, ZIP 2007, 1681, 1688f.
2677 Weller, ZIP 2007, 1681, 1688f.
332
dann auf eine Auslandsgesellschaft anwendbar, wenn ähnliche Defizite im Bereich
des Gläubigerschutzes bestehen.2678
Dieses Bestreben, einen Bezug zum Schutzsystem des jeweiligen Gesellschaftsstatuts herzustellen, ist letztlich ein Beleg dafür, dass die besseren Gründe für eine
gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Haftung sprechen. Daher sollte es dem
Gesellschaftsstatut überlassen bleiben, durch das Ineinandergreifen der verschiedenen Regelungen dafür Sorge zu tragen, dass sich ein kohärentes, ausgewogenes
Regelungssystem ergibt.
Zudem wird es in der Praxis erhebliche Probleme bereiten, das Niveau des Gläubigerschutzes zu vergleichen. Hier müssten verlässliche Kriterien aufgestellt werden. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die nationale Perspektive zur Korrektur
des ausländischen Gesellschaftsrechts ohne ausreichende Berücksichtigung der
grundlegend verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen verleitet.2679 Schließlich geht es nach dem BGH bei dem Konzept der Existenzvernichtungshaftung um die Ergänzung der Kapitalerhaltungsregeln des deutschen Gesellschaftsrechts durch Schließung einer Schutzlücke2680 innerhalb dieses Systems.2681
Die von Weller vorgeschlagene Prüfung, ob eine vergleichbare Insuffizienz des
Gläubigerschutzes 2682 bzw. vergleichbare Schutzlücken 2683 bestehen, wird nicht
ohne weiteres durchzuführen sein. Schließlich können im ausländischen Gesellschaftsrecht beliebige Kombinationen von Möglichkeiten einer Außenhaftung
existieren. Hier würde es sich als schwierig erweisen, verlässliche Kriterien bzw.
Parameter herauszuarbeiten.
Selbst wenn eine delikstrechtliche Qualifikation erfolgen sollte, wäre die Möglichkeit der akzessorischen Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut sowohl nach
Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB als auch nach Art. 4 Abs. 3 Rom II gegeben.2684
Insgesamt geht mit der Änderung der Rechtsprechung des BGH zum existenzvernichtenden Eingriff2685 keine Infragestellung der grundsätzlichen Befürwortung der
akzessorischen Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut bei Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten einher. Nach der Änderung des Haftungskonzepts des BGH
zum existenzvernichtenden Eingriff2686 ist eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation
2678 Weller, ZIP 2007, 1681, 1689.
2679 Auch Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 303, weist darauf hin, dass die Existenzvernichtungshaftung rechtsformspezifisch für die GmbH begründet wird.
2680 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802, 1804.
2681 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 303; Sester, Anm. zu BGH, Urt. v. 16.7.2007
II ZR 3/04, RIW 2007, 787, 789, hebt hervor, dass die Anwendung der Existenzvernichtungshaftung darauf basiere, dass die Gesellschaft dem Kapital- und Gläubigerschutzkonzept
des GmbHG unterliegt; auch Gehrlein, WM 2008, 761, 769 verweist darauf, dass der BGH
seine Analyse auf Besonderheiten des deutschen GmbH-Rechts stütze.
2682 Weller, ZIP 2007, 1681, 1689.
2683 Weller, ZIP 2007, 1681, 1689.
2684 Staudinger, AnwBl 2008, 316, 321, 324 diskutiert diese Möglichkeit, lässt dies aber i. E.
offen.
2685 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802.
2686 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802.
333
vorzunehmen.2687 Zusätzlich unterstreicht die Analyse der neueren Rechtsprechung
des BGH zur Existenzvernichtungshaftung2688 gleichsam a posteriori, dass im früheren Haftungsmodell die gesellschaftsrechtliche Qualifikation und die akzessorische
Anknüpfung der parallelen Haftung aus § 826 BGB an das Gesellschaftsstatut aufgrund der Verletzung einer gesellschaftsrechtlichen Pflicht sachlich gerechtfertigt
waren.
Im Ergebnis ist auch in Anbetracht der Umwälzungen in Bezug auf die Existenzvernichtungshaftung weiterhin die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass die Möglichkeit der akzessorischen Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut grundsätzlich
besteht.
Allerdings setzt die akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut nach
Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB die Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten voraus. In der Tat kommt regelmäßig die deliktsrechtliche Qualifikation für die allgemeinen Delikte nach §§ 823ff. BGB und insbesondere die Sanktion von Betrugshandlungen, z. B. beim Eingehungsbetrug, zum Tragen.2689 Dies ist auch europarechtlich im Allgemeinen unbedenklich.2690
In einer rechtskräftigen Entscheidung qualifizierte das Landgericht Kiel2691 nicht
nur die Insolvenzverschleppungshaftung insolvenzrechtlich2692, sondern ging zusätzlich von der Maßgeblichkeit deutschen Deliktsrechts sowie vom Vorliegen einer
deliktischen Haftung aus.2693 Es läge ein Eingehungsbetrug vor, so dass nach § 823
Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB ein Schadensersatzanspruch gegeben sei.2694
Schließlich ist beim Eingehungsbetrug ein zusätzliches, von gesellschaftsrechtlichen Pflichten losgelöstes, betrügerisches Verhalten strafbewehrt. Insofern könnte
die vorgenannte Entscheidung des Landgerichts Kiel2695 zum Eingehungsbetrug
sogar als eine wegweisende Entscheidung hinsichtlich der Verwirklichung zusätzlicher deliktischer Tatbestände interpretiert werden. Auch der richterliche Hinweis in
der Entscheidung des BGH vom 14. März 20052696 könnte sich auf das Vorbringen
hinsichtlich eines Eingehungsbetruges beziehen.2697
Insgesamt ist der Schluss zu ziehen, dass nach vorzugswürdiger Ansicht eine akzessorische Anknüpfung nach Art. 41 Abs. 2 EGBGB bei Verletzung gesellschafts-
2687 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 301f., 303; Schanze, NZG 2007, 681, 685f.; i. E.
ähnlich Sester, Anm. zu BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, RIW 2007, 787, 789.
2688 BGH, Urt. v. 16.7.2007 II ZR 3/04, DB 2007, 1802.
2689 Goette, DStR 2006, 139, 146; Goette, ZIP 2006, 541, 545.
2690 Goette, ZIP 2006, 541, 545; Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620, Fn. 25 (wobei die insolvenzrechtliche Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung befürwortet wird); siehe
oben Teil 2 B V 3 b), c).
2691 LG Kiel, Urt. v. 20.4.2006 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248.
2692 So auch Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620f.; siehe zur gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung oben Teil 3 C II 3 a).
2693 LG Kiel, Urt. v. 20.4.2006 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248, 1251.
2694 LG Kiel, Urt. v. 20.4.2006 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248, 1251.
2695 LG Kiel, Urt. v. 20.4.2006 10 S 44/05, ZIP 2006, 1248, 1251.
2696 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016.
2697 Goette, ZIP 2006, 541, 545.
334
rechtlicher Pflichten vorzunehmen ist. Gleichzeitig ist der Anwendungsbereich von
Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB auf die Verletzung einer gläubigerschützenden gesellschaftsrechtlichen Pflicht beschränkt.
Fraglich ist, ob die Bejahung einer akzessorischen Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut in der zu untersuchenden Konstellation zum Zuge kommt. Hier steht
die Haftung eines Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten der LLP für Vermögensschäden, welche durch fahrlässige Beratungsfehler verursacht wurden, nach den
Prinzipien der professional liability zur Debatte. Vorliegend besteht kein unmittelbarer Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Pflichten, die Drittinteressen schützen. Vielmehr geht es um eine mögliche deliktische Haftung für Berufsfehler.2698
Somit spricht gegen eine Anwendung von Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB auf diese
Haftung für berufliche Fehler, dass aufgrund der vorstehenden Erörterungen nur bei
Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten eine akzessorische Anknüpfung an das
Gesellschaftsstatut zu erwägen ist2699.
Das englische Gesellschaftsrecht sieht in Bezug auf Berufsfehler keine persönliche Pflichtenstellung oder Haftung des Gesellschafters gegenüber Dritten vor. Eine
Anknüpfung möglicher Ansprüche an das Recht des Gründungsstaates der Gesellschaft ist kaum sachgerecht, wenn dieses Gesellschaftsrecht die betroffenen Interessen nicht schützt.
Schließlich setzt die Anwendung von Art. 41 EGBGB voraus, dass ein sachlicher
Zusammenhang zwischen der rechtlichen Sonderbeziehung und dem außervertraglichen Schuldverhältnis besteht.2700 Mithin müsste das schädigende Ereignis auf der
Verletzung einer Pflicht aus der Sonderbeziehung beruhen.2701 Gesellschaftsrechtliche Pflichten werden vorliegend nicht verletzt, so dass der erforderliche Bezug zur
rechtlichen Sonderbeziehung nicht gegeben ist.
Folglich scheidet in Bezug auf Haftungsansprüche gegenüber dem Gesellschafter
wegen beruflicher Fehler de lege lata eine akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts an das Gesellschaftsstatut nach Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB aus. Ob de lege
ferenda bei Verletzung allgemeiner Haftungsnormen eine akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut in Betracht kommt, oder auf anderem Wege eine
kollisionsrechtliche Berufung zu erwägen ist, wird an anderer Stelle2702 zu erörtern
sein.
Im Ergebnis kommt eine akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut
zwar in Betracht. Bei Verletzung drittschützender gesellschaftsrechtlicher Pflichten
ist eine akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut vorzunehmen. In der
EU ist diese Anknüpfung sogar europarechtlich geboten. Im konkret zu untersuchenden Fall der Haftung für berufliche Fehler liegt jedoch keine Verletzung dritt-
2698 Ähnlich Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1106, Fn. 138.
2699 So auch Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1106, Fn. 138; Staudinger/v. Hoffmann, Vorb.
Art. 40 EGBGB, Rdnr. 31.
2700 MünchKomm/Junker, Art. 41 EGBGB Rdnr. 21.
2701 MünchKomm/Junker, Art. 41 EGBGB Rdnr. 21.
2702 Siehe unten Teil 4.
335
schützender gesellschaftsrechtlicher Vorschriften vor. Folglich ist die deliktische
Berufshaftung nicht akzessorisch an das englische Gründungsrecht anzuknüpfen.
Diese Haftung unterliegt dem deutschen Recht als Deliktsstatut.
d) Anwendung des berufenen Sachrechts
Im Ergebnis ist grundsätzlich deutsches Recht Deliktsstatut für Ansprüche gegen die
Gesellschafter und gegen die Gesellschaft. In Bezug auf die persönliche Haftung
eines Gesellschafters der Partnerschaft für Berufsfehler aus Delikt wurde oben2703
festgestellt, dass im Allgemeinen keine Anspruchsgrundlage für den Ersatz reiner
Vermögensschäden besteht. Dies gilt auch bei Tätigwerden für eine englische LLP
in Deutschland. Somit besteht kein Anspruch gegenüber dem verantwortlichen Gesellschafter.2704 Auch für Ansprüche gegen die Gesellschaft gilt, dass für den Vermögensschaden keine deliktische Anspruchsgrundlage besteht.
e) Europarechtliche Zulässigkeit
Hinsichtlich der deutschen Kollisionsnormen für deliktische Ansprüche und der
Anwendung allgemeinen deutschen Deliktsrechts ist die europarechtliche Zulässigkeit im Allgemeinen zu bejahen.2705 Es handelt sich um Vorschriften, welche Aspekte des Verkehrsrechts regeln, unterschiedslos angewendet werden und den Marktzugang in der Regel nicht beschränken.2706 Dies gilt zwar nicht ohne weiteres für die
an eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten anknüpfende Haftung nach
deutschem Deliktsrecht.2707 Jedoch ist diese Sonderproblematik vorliegend nicht
relevant, da es um eine allgemeine deliktische Haftung für berufliche Fehler geht.
Wie bereits in Bezug auf die vertraglichen Kollisionsregeln festgestellt2708, erfolgt
durch die unterschiedslose Anwendung dieser tätigkeitsbezogenen Normen keine
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit der englischen LLP.
2703 Siehe oben Teil 3 B I 3.
2704 So auch Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 413; Henssler/Mansel, NJW 2007,
1393, 1396.
2705 Siehe oben Teil 2 B V 3 b), c); Eidenmüller/Eidenmüller, § 4 Rdnr. 29ff.; Bitter, WM 2004,
2190, 2193; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1205, 1207; Goette, DStR 2005, 197, 199.
2706 Siehe oben Teil 2 B V 3 b), c); Eidenmüller/Eidenmüller, § 4 Rdnr. 29ff.; Bitter, WM 2004,
2190, 2193; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1204f.
2707 So aber Ulmer, NJW 2004, 1201, 1205; Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1257; zum Sonderproblem der Verletzung gläubigerschützender Normen siehe oben Teil 3 C IV 2 c) cc).
2708 Siehe oben Teil 3 C III 8 u. Teil 2 B V 3 b), c).
336
3. Neue Rechtslage: Rom II
Die Rom II-Verordnung, die ab dem 11. Januar 2009 gilt, sieht Sachnormverweisungen vor.2709 Es ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt.2710 Somit gilt die lex loci damni.2711 Dabei ist unerheblich, in welchem Staat das
schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.2712
Mithin wird auf den Schadensort als Ort der Rechtsgutverletzung bzw. als Erfolgsort
abgestellt.2713 Grundsätzlich entspricht dieser europarechtliche Begriff des Schadensorts dem des Erfolgsorts in Art. 40 Abs. 1 EGBGB.2714 Da regelmäßig in
Deutschland belegenes Vermögen betroffen ist, findet deutsches Sachrecht Anwendung. Ferner ist eine vorrangige Anknüpfung an das Recht des Staates, in dem die
Beteiligten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, vorgesehen.2715 Bei
Gesellschaften wird auf die Hauptniederlassung bzw. die verantwortliche Zweigniederlassung abgestellt.2716 Auch dies führt zur Verweisung auf deutsches Recht.
Abweichend ist es möglich, dass das Recht eines anderen Staates Anwendung
findet, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass eine offensichtlich
engere Beziehung zu diesem Staat besteht. Insbesondere ist eine akzessorische Anknüpfung an ein bestehendes Rechtsverhältnis, das in offensichtlich engerer Verbindung zur unerlaubten Handlung steht, vorgesehen, wobei als Beispiel ein Vertrag
genannt wird.2717 Bei Übertragung der obigen2718 Erwägungen besteht keine Verbindung zum Recht eines anderen Staates. Fraglich ist, ob die Rechtsprechung eine
großzügigere Handhabung dieser Regelung, insbesondere durch akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut verfolgen wird.2719 Dann würde eine Haftung
der Gesellschafter aus professional negligence bestehen. Allerdings ist im Interesse
einer einheitlichen Rechtsanwendung die Ausweichklausel nur zurückhaltend anzuwenden.2720 Daher ist eine solche akzessorische Anknüpfung nicht zu erwarten.
2709 Art. 24 Rom II; MünchKomm/Junker, Art. 42 Anh. Rdnr. 88; Leible/Lehmann, RIW 2007,
721, 735.
2710 Art. 4 Abs. 1 Rom II.
2711 Erwägungen Ziff. 18 Rom II.
2712 Art. 4 Abs. 1 Rom II.
2713 MünchKomm/Junker, Art. 42 Anh. Rdnr. 35; Junker, NJW 2007, 3675, 3678; Wagner, IPRax
2008, 1, 4f.
2714 Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 724; Wagner, IPRax 2008, 1, 4; Junker, JZ 2008, 169,
174f.
2715 Art. 4 Abs. 2 Rom II.
2716 Art. 23 Abs. 1 Rom II.
2717 Art. 4 Abs. 3 Rom II.
2718 Siehe oben Teil 3 C IV 2 c) cc).
2719 Eine restriktive Anwendung, wie bei Art. 41 Abs. 1 EGBGB, befürwortet Junker, NJW 2007,
3675, 3678.
2720 MünchKomm/Junker, Art. 42 EGBGB Anh. Rdnr. 38; auch Leible/Lehmann, RIW 2007, 721,
725, gehen davon aus, dass die Ausweichklausel nur in Ausnahmefällen greifen sollte.
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Insgesamt ist nicht damit zu rechnen, dass durch Rom II das Ergebnis nach der
bisherigen Rechtslage, mithin die Anwendung deutschen Rechts, in Frage gestellt
wird.
V. Eigenhaftung des Stellvertreters aus c. i. c.
1. Bisherige Rechtslage
Der BGH hat die Frage der Qualifikation der Eigenhaftung des Stellvertreters bzw.
des Sachwalters aus c. i. c. offen gelassen.2721 Grundsätzlich erfolgt keine Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut.2722 Die Eigenhaftung von organschaftlichen Stellvertretern ist unabhängig von der Organstellung eine Variante der allgemeinen
Stellvertreterhaftung.2723 Nur ausnahmsweise kommt eine gesellschaftsrechtliche
Qualifikation in Frage, wenn die Gesellschafterstellung als solche den Ausgangspunkt der Haftung bilden soll.2724 Schließlich würde dies zu einer gesellschaftsbezogenen Umgestaltung der Haftung des Stellvertreters führen.
a) Kollisionsrechtliche Analyse
aa) Besonderes persönliches Vertrauen
(1) Kollisionsrechtliche Ansätze
In Betracht kommen eine unselbstständige Ausrichtung am Statut des angebahnten
Vertrages2725, eine eigenständige deliktsrechtliche Anknüpfung2726 sowie eine eigenständige Anknüpfung entsprechend Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB2727.2728
2721 BGH, Urt. v. 12.11.2003 VIII ZR 268/02, WM 2004, 1183; BGH, Urt. v. 4.5.2004 XI ZR
40/03, NJW 2004, 2523, 2525.
2722 Spahlinger/Wegen, S. 96, Rdnr. 348; Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 412;
Paefgen DB 2003, 487, 488; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1204; MünchKomm/Kindler, IntGesR
Rdnr. 631; a. A. Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12.
2723 Spahlinger/Wegen, S. 96, Rdnr. 348; Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 412;
Paefgen, DB 2003, 487, 488; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1204; MünchKomm/Kindler, IntGesR
Rdnr. 631; a. A. Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12.
2724 Eidenmüller/Eidenmüller, § 4 Rdnr. 30; Triebel/Otte/Kimpel, BB 2005, 1233, 1236; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12f. befürworten eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation bei spezifisch gesellschaftsbezogenen Verhaltenspflichten und nehmen dies für den Fall an, dass
z. B. ein Geschäftsführer eine ihm als Organ auferlegte Aufklärungspflicht hinsichtlich der
Vermögenslage der Gesellschaft verletzt.
2725 Ahrens, IPRax 1986, 355, 359f.; LG Düsseldorf, Urt. v. 23.2.2000 9 O 267/95, WM 2000,
1191, 1193f.
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References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.