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Ferner würde diese Haftungsfigur einem Elastizitätstest unterzogen. Die strukturelle Erweiterung dieser Eigenhaftung zur Berufshaftung setzt nicht nur regelmäßig
voraus, dass auch für nachvertragliche Pflichtverletzungen durch Berufsfehler bei
Mandatsbearbeitung die Grundsätze der c. i. c. gelten2401. Überdies wird das Kriterium der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens nicht anhand des Sachverhalts
geprüft, sondern mit der beruflichen Stellung gleichgesetzt. Auch können konzeptionelle Schwierigkeiten auftreten, wenn nicht der die Gesellschaft bei Vertragsschluss vertretende Partner, sondern ein anderer Gesellschafter das Mandat bearbeitet. Schließlich setzt ein Auftreten mit dem Anspruch auf Vertrauen grundsätzlich
voraus, dass der Vertreter selbst mittelbar oder unmittelbar an den Vertragsverhandlungen beteiligt war2402.
Insgesamt ist der Rechtsprechung zuzustimmen2403 und eine generelle, auf der beruflichen Stellung basierende anwaltliche Berufshaftung abzulehnen. Dies gilt auch
in Bezug auf eine Haftungsbegründung durch Rückgriff auf die Rechtsfigur der
c. i. c. Somit existiert im deutschen Rechtskreis keine allgemeine Berufshaftung des
Rechtsanwalts.
6. Ergebnis
Im Ergebnis haftet der handelnde Partner für berufliche Fehler gemäß § 8 Abs. 2
PartGG.
II. Anwaltshaftung in der LLP nach englischem Recht
Es ist oben2404 gezeigt worden, dass für den Partner der LLP als solicitor eine allgemeine berufliche Haftung aus negligence besteht, so dass die persönliche Handelndenhaftung des Rechtsanwalts auf deliktischer Grundlage gewährleistet ist.2405 Diese
traditionelle Berufshaftung besteht auch dann, wenn der solicitor als member einer
LLP agiert. Ein gesellschaftsrechtlicher Ausschluss der persönlichen Anwaltshaftung existiert nicht.2406
2401 Zur Haftung für nachvertragliche Pflichtverletzung s. Prohaska, S. 115ff., S. 127ff.
2402 BGH, Urt. v. 4.5.2004 XI ZR 40/03, NJW 2004, 2523, 2525; OLG Köln, Urt. v. 13.4.2006
7 U 31/05, ZIP 2007, 28 = DB 2007, 158 (nicht rechtskräftig, Nichtzulassungsbeschwerde
beim BGH anhängig unter dem Az.: II ZR 148/06).
2403 BGH, Urt. v. 11.7.1988 II ZR 232/87, NJW 1989, 293, 294; siehe Henssler, AnwBl 1996,
3, 7; Girotto, S. 177; Bank, S. 381ff., S. 386ff.
2404 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
2405 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
2406 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
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III. Vergleich der Anwaltshaftung in Partnerschaft und LLP
1. Methodenvergleich
Ausgehend von der vorstehenden2407 Darstellung der Anwaltshaftung in der Partnerschaft und in der LLP in den jeweiligen Gründungsstaaten ist ein direkter Vergleich
der materiellrechtlichen Ausgangslagen möglich. In Deutschland haftet der handelnde Rechtsanwalt neben der Partnerschaft für Berufsfehler, und auch in England
haftet der sachbearbeitende solicitor neben der LLP persönlich.2408
Auch aufgrund dieser persönlichen Handelndenhaftung des Rechtsanwalts neben
der Gesellschaft wurde oben2409 eine funktionale Vergleichbarkeit von LLP und
Partnerschaft bejaht. Auffällig ist, dass in den beiden Rechtsordnungen dieses auf
den Schutz des Mandanten ausgerichtete Ergebnis einer persönlichen Haftung des
Anwalts für seine beruflichen Fehler auf unterschiedliche Weise erreicht wird.
Nach englischem Recht geht mit der beruflichen Position des Anwalts eine Vertrauensstellung einher, welche regelmäßig zu einer deliktischen Haftungssanktion
führt, weil sie unabhängig vom Vertrag den Ausgangspunkt einer allgemeinen Haftung aus negligence wegen assumption of responsibility bildet.2410 Diese Haftung
besteht auch neben der LLP fort.2411
Eine generelle Berufshaftung der deutschen Rechtsanwälte, welche mit der im
angloamerikanischen Recht anerkannten professional liability vergleichbar wäre,
existiert im deutschen Recht nicht.2412 In Deutschland besteht keine allgemeine deliktische Haftung für Vermögensschäden. Zudem lehnen die Rechtsprechung und
die herrschende Literaturmeinung eine eigenständige, allgemeine anwaltliche Berufshaftung unabhängig von Delikt und Vertrag ab.2413 Dies gilt auch für die Variante der Eigenhaftung des Stellvertreters aus c. i. c. kraft beruflicher Stellung.2414
Folglich wird im deutschen Rechtskreis die Vertrauensbeziehung zum Rechtsanwalt nicht als zwingender Auslöser einer Sanktionierung durch persönliche Haftung
angesehen. Daher besteht ein auffälliger Unterschied zur Rechtslage in England, wo
die deliktische Haftung aus negligence bei Rechtsanwälten den Ausgangspunkt einer
allgemeinen professional liability bildet.2415 Dieser Gegensatz wird jedoch abgemildert, wenn berücksichtigt wird, dass in beiden Rechtskreisen die Vertrauensstellung
2407 Siehe oben Teil 3 B I, II.
2408 Siehe oben Teil 2 C V 13 d).
2409 Siehe oben Teil 2 C V 13 d), 14 a) bb), c).
2410 Siehe oben Teil 1 E II, III.
2411 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
2412 Lindenberg, S. 111, Fn. 555.
2413 Siehe oben Teil 3 B I 5.
2414 Siehe oben Teil 3 B I 2, 5.
2415 Girotto, S. 177f.; Henssler, AnwBl 1996, 3, 7.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.