280
sen.2280 Damit geht gleichzeitig die Möglichkeit einher, die Gesellschaften als Prozess- und Verfahrensbevollmächtigte zu beauftragen. Folglich kann im Anwaltsprozess nicht nur der einzelne Rechtsanwalt, sondern auch die Rechtsanwaltsgesellschaft als Prozessbevollmächtigte auftreten, welche über die Person des Handelnden
mittelbar 2281 postulationsfähig ist.2282
II. Postulationsfähigkeit der LLP
1. Erfordernis der konstitutiven Eintragung
Grundsätzlich wird aufgrund der Partnerschaftsäquivalenz eine Gleichbehandlung
von LLP und Partnerschaft zu fordern sein.2283 Allerdings ist nach einer Ansicht
auch bei funktionaler Vergleichbarkeit eine konstitutive Eintragung der Zweigniederlassung der LLP in das Partnerschaftsregister erforderlich, wenn § 7 Abs. 4
PartGG Anwendung finden soll.2284 Wenn das deutsche Prozessrecht als lex fori die
Postulationsfähigkeit von der Eintragung abhängig mache, müsse dies auch für die
LLP gelten.2285 Nach den Grundsätzen der Substitution sei in § 7 Abs. 4 PartGG nur
die LLP an die Stelle der Partnerschaft zu setzen. Die vorgesehene Registereintragung sei als weitere Bevollmächtigungsvoraussetzung im Verhältnis zur LLP nicht
zu vereinfachen.2286
Dagegen ist einzuwenden, dass im Wortlaut des § 7 Abs. 4 PartGG der Begriff
der Eintragung nicht enthalten ist. Wenn im Wege der Substitution der Begriff der
LLP an die Stelle des Begriffs der Partnerschaft tritt, wäre die folgende Lesweise
gegeben: Die [LLP]2287 kann als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte beauf-
2280 Zöller, vor § 50 ZPO Rdnr. 16 u. vor § 78 ZPO Rdnr. 7; siehe auch OLG Nürnberg, Beschl.
V. 1.7.2002 10 WF 1088/02, NW 2002, 3715 (zur Anwalts-GmbH).
2281 Zöller, vor § 78 ZPO Rdnr. 7.
2282 Zöller, vor § 78 ZPO Rdnr. 7.
2283 In diesem Sinne wohl, ohne auf das Erfordernis der konstitutiven Eintragung der Zweigniederlassung einzugehen, Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 423f.; ein Urteil des
LG München I, 25.11.2005 15 HK O 1507/04, NJW 2006, 704, betraf eine US-LLP, die erst
nach Zulassung postulationsfähig ist, s. hierzu Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403,
S. 423; die Möglichkeit, der LLP die Postulationsfähigkeit nach § 7 IV PartGG einzuräumen,
bejahen auch Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1103f.; Dahns, NJW-Spezial 2005, 333;
Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1398f., nehmen eine europarechtskonforme Erweiterung
von § 7 IV PartGG vor, wobei darauf hingewiesen wird, dass die LLP ebenso wie die Partnerschaft die Postulationsfähigkeit von den in ihr tätigen Berufsträgern ableitet.
2284 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1103f.; ähnlich Siems, ZVglRWiss 107 (2008), 60, 72;
Dahns, NJW-Spezial 2005, 333; Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1398 legen dar, dass die
Postulationsfähigkeit durch Eintragung in das Partnerschaftsregister erlangt werden könne
und gehen dementsprechend wohl davon aus, dass eine Eintragung erforderlich sei.
2285 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1103f.
2286 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1103f.
2287 Modifikation durch den Verfasser: Ersetzen des Begriffs Partnerschaft durch LLP .
281
tragt werden. ( &) Daher ist nicht ersichtlich, wieso die in § 7 Abs. 1 PartGG vorgesehene Eintragung, welche insofern konstitutiv ist, als sie zur Entstehung der
Gesellschaft führt, im Rahmen des § 7 Abs. 4 PartGG eine weitergehende Funktion
erfüllen sollte. Die Eintragung ist bei der Partnerschaft wie auch bei der LLP Entstehungsvoraussetzung.2288 Dass eine rechtlich nicht existierende Partnerschaft nicht
bevollmächtigt werden kann, liegt auf der Hand. Somit ist das Bestehen der Gesellschaft als Bevollmächtigungsvoraussetzung anzusehen.
Das Erfordernis einer konstitutiven Eintragung der LLP kann nicht ohne weiteres
mit dem Verweis auf das Informationsbedürfnis begründet werden. Im Rahmen der
Gesetzesreform, welche zur Einführung von § 7 Abs. 4 PartGG führte2289, fand der
Umstand der registermäßigen Erfassung der Partner zum Zwecke der Information
keine besondere Berücksichtigung. Vielmehr lautet der erste Satz der Begründung:
Die Partnerschaftsgesellschaft ist eine rechtsfähige Personengesellschaft. 2290
Dies deutet darauf hin, dass dem Bestehen der Partnerschaft und deren rechtlicher
Verselbstständigung Relevanz zugemessen wird.
Überdies wurde die LLP bereits in England in ein Register eingetragen. Das
Gründungsdokument muss Angaben über die members enthalten.2291 Der Eintritt
und das Ausscheiden von members ist dem Registrar mitzuteilen.2292 Die beim Registrar vorhandenen Unterlagen, wie das Gründungsdokument, der annual return
und auch die eingereichten Informationen über Veränderungen im Gesellschafterbestand können eingesehen werden.2293
Auch aus dem Umstand, dass bei der Partnerschaft gemäß § 5 Abs. 1 PartGG die
Zugehörigkeit jedes Partners zu den freien Berufen eingetragen wird, folgt kein
durch ein Informationsbedürfnis zu begründender Eintragungszwang. Schließlich
wird dem Informationsinteresse des Rechtsverkehrs durch die gemäß § 31 BRAO
durch die Rechtsanwaltskammern zu führenden Rechtsanwaltsverzeichnisse und
zusätzlich durch das von der BRAK geführte Verzeichnis aller Mitglieder der
Rechtsanwaltskammern2294 Genüge getan.
Diese Verzeichnisse dienen gemäß § 31 Abs. 1 S. 3 BRAO der Information von
Behörden, Gerichten und Rechtsuchenden. Das Rechtsanwaltsverzeichnis ist online
und unentgeltlich zugänglich und wird unmittelbar durch die zuständige Behörde auf
aktuellem Stand gehalten. Jeder zugelassene Rechtsanwalt ist gemäß § 31 Abs. 3
BRAO mit Name, Vorname, Kanzleianschrift und Zweigstellen einzutragen. Die
Eintragung in die Verzeichnisse wird gemäß § 31 Abs. 4 BRAO bei Erlöschen der
2288 Siehe oben Teil 2 C V 4 d).
2289 Zweites Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2. FGO-
ÄndG) v. 19.12.2000, BGBl. 2000 I S. 1757, Art. 11; zur Gesetzesbegründung, s. BT-Drucks.
14/4061, S. 12.
2290 BT-Drucks. 14/4061, S. 12.
2291 S. 2 (1) (e) LLPA 2000.
2292 S. 9 (1) LLPA 2000.
2293 Ss. 1085f. CA 2006; vgl. reg. 4, Schedule 2 LLP Regulations 2001, s. 709 CA 1985;
Whittaker/Machell, S. 30f.
2294 .
282
Zulassung gelöscht. Bei einem Wechsel der Rechtsanwaltskammer wird das Gesamtverzeichnis berichtigt.
Mithin ist das Bestehen der Anwaltszulassung der Gesellschafter ohne weiteres
unmittelbar und auf aktuellem Stand bei den für die Zulassung zuständigen Behörden nachprüfbar. Bei Veränderungen oder Erlöschen der Zulassung wird durch die
zuständige Behörde das Register sofort berichtigt. Dieser direkte Zugang zu den
Informationen über das Vorliegen der Anwaltszulassung des für die LLP auftretenden Gesellschafters ist ein taugliches Mittel, den Informationsbedarf des Rechtsverkehrs zu decken.
Selbst wenn gefordert wird, dass die Zweigniederlassung allen Anforderungen
des deutschen Registerrechts genügt und wie eine inländische Hauptniederlassung
behandelt wird, so dass für die Anmeldungen und Eintragungen die Vorschriften
über inländische Hauptniederlassungen Anwendung finden2295, könnte dies durch
die Eintragung der Zweigniederlassung der LLP gemäß § 5 Abs. 2 PartGG i. V. m.
§ 13 d HGB nicht besser gewährleistet werden. Das Rechtsanwaltsverzeichnis und
das Verzeichnis der BRAK bieten dem Rechtsverkehr bereits ein optimales Informationspaket.
Zudem bestehen Zweifel hinsichtlich der Gleichsetzung der deklaratorischen Eintragung der Zweigniederlassung und der konstitutiven Ersteintragung. Insgesamt
spricht einiges gegen eine in zweifacher Weise konstitutive Komponente der Eintragung der Partnerschaft. Im Ergebnis ist die partnerschaftsäquivalente LLP im Wege
der Substitution nach § 7 Abs. 4 PartGG postulationsfähig, ohne dass es einer Eintragung der Zweigniederlassung bedarf.
2. Europarechtliche Zulässigkeit
Überdies ist fraglich, inwieweit der von Weller und Kienle entwickelte Ansatz mit
den europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Diese Literaturmeinung geht auf das
Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und die Möglichkeit der
Rechtfertigung ein.2296 Hierzu ist im Folgenden Stellung zu nehmen.
a) Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
Weller und Kienle vertreten die Ansicht, dass keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit erfolge, weil die prozessrechtlich zu qualifizierende Norm weder die
Anerkennung als solche einschränke noch Fragen des Gesellschaftsstatuts berühre.2297 Im angloamerikanischen Rechtskreis seien ausländische Gesellschaften vor
2295 Baumbach/Hopt/Hopt, § 13 d HGB Rdnr. 2, 5.
2296 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1103f.
2297 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1104.
283
Aufnahme der Geschäftstätigkeit zur Registrierung verpflichtet, so dass das Gesellschaftsstatut der LLP den Vorbehalt beinhalte, dass an die Auslandstätigkeit weitere
Voraussetzungen geknüpft werden können.2298 Somit erhebe das Gesellschaftsstatut
der LLP keinen Anspruch auf Regelung der Postulationsfähigkeit vor deutschen
Gerichten. Schließlich bestehe ein Informationsinteresse des Rechtsverkehrs insbesondere hinsichtlich der Vertretungsbefugnisse.2299
Gegen diese These spricht bereits, dass nach englischem Recht die Aufnahme der
Geschäftstätigkeit durch eine ausländische LLP (overseas LLP) nicht von einer
vorherigen Registrierung abhängt.2300 Zudem ist irrelevant, in welcher Weise das
englische Recht ausländische Gesellschaften behandelt. Überdies ist auch England
zur Achtung der Niederlassungsfreiheit verpflichtet, was an dieser Stelle nicht zu
vertiefen ist. Ferner ist es nicht als Vorbehalt anzusehen, wenn das englische
Recht als Gesellschaftsstatut die Postulationsfähigkeit nicht regelt. Schließlich wird
auch im deutschen Recht die Postulationsfähigkeit durch das Prozessrecht und nicht
durch das materielle Recht bzw. Gesellschaftsrecht geregelt. Zu berücksichtigen ist
vielmehr, dass das englische Gesellschaftsrecht die Schaffung und Ausgestaltung
der Gesellschaft ermöglicht und sie mit einem bestimmten Status versieht. Aufgabe
des Prozessrechts ist es, an diesen Status die prozessualen Konsequenzen zu
knüpfen.
Weller und Kienle ziehen den Schluss, dass es zu keiner Kollision von deutschem
Prozessrecht und ausländischem Gesellschaftsstatut komme.2301 Das kann jedoch
nicht bedeuten, dass innerhalb der EU das Prozessrecht eines Mitgliedstaates den
Status einer Gesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat ignorieren darf. Dies
wurde bereits hinsichtlich der Parteifähigkeit in der Rechtssache Überseering
deutlich.2302
Insofern als Weller und Kienle darauf verweisen, dass die Anerkennung der LLP
nicht eingeschränkt werde, ist auf das oben2303 herausgearbeitete, weitere Verständnis der EuGH-Rechtsprechung zu verweisen. Eine Beschränkung kann jede Maßnahme darstellen, welche geeignet ist, die Niederlassungsfreiheit weniger attraktiv
zu machen oder zu behindern.2304 Die Gestalt und Form der nationalen Maßnahme
2298 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1104.
2299 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1104.
2300 In Reg. 4, Schedule 2 LLP Regulations 2001 ist nur die entsprechende Anwendung von s. 693
CA 1985 vorgesehen; siehe auch Whittaker/Machell, S. 207f.; vgl. die s. 693 CA 1985 entsprechende vorgeschlagene modifizierte Anwendung des CA 2006 in reg. 57 Draft LLP (Application of Companies Act 2006) Regulations 2009, die keine Anwendung der ss. 1046 -
1048 CA 2006 über die Registrierung, sondern lediglich die modifizierte Anwendung von
s. 1051 CA 2006 (Trading Disclosure) vorsieht.
2301 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1104.
2302 EuGH, Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919; siehe oben Teil 2 B IV 2 zur Diskussion der Überseering-Entscheidung; siehe oben Teil 2 B V zur Analyse der Rechtsprechung
des EuGH.
2303 Siehe oben Teil 2 B V 2 b) bb), c), VI.
2304 Siehe oben Teil 2 B V 2 b) bb), c), VI.
284
sind nicht entscheidend2305, so dass auch aus der prozessrechtlichen Regelung der
Postulationsfähigkeit eine Beschränkung resultieren kann. Daher ist auch irrelevant,
ob die Norm prozessrechtlich oder gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist.2306
Auch kommt vorliegend eine Übertragung der Keck-Rechtsprechung zur Eindämmung des weiten Beschränkungsbegriffs2307 nicht in Betracht. Denn zum Erwerb
der Postulationsfähigkeit ist zwingend die Eintragung der Zweigniederlassung vorgeschrieben. Hierbei handelt es sich um eine die Niederlassung der Gesellschaft zur
Ausübung der Rechtsberatung und Rechtsbesorgung durch Gründung einer Zweigniederlassung konkret betreffende Maßnahme. Überdies stellt zumindest die Verweigerung der Postulationsfähigkeit eine akute Erschwerung des Marktzugangs2308
dar. Denn der LLP wird der Eintritt in das Marktsegment der Rechtsberatung als
eigenständige Prozessbevollmächtigte verwehrt. Dadurch kann den Rechtsuchenden
kein umfassendes Angebot der Rechtsbesorgung gemacht werden. Auch entsteht im
Vergleich zu deutschen Partnerschaften ein Reputationsdefizit. Daher ist von einer
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auszugehen.
Ferner ist bedenklich, dass für die LLP nur die Möglichkeit verbleibt, dass die
Mandanten den einzelnen Gesellschaftern Prozessvollmachten erteilen.2309 Dann
haften die Rechtsanwälte persönlich.2310 Weller und Kienle erörtern, wenn auch
kritisch, dass bei der Ausstellung der Vollmacht auf eine Vielzahl oder alle Partner
eine gesamtschuldnerische Haftung auch jene Partner treffen könnte, die das Mandat
nicht bearbeitet haben.2311 Damit würde auf mittelbarem Wege die Begrenzung auf
die Handelndenhaftung2312 wegfallen und der LLP das Haftungsprivileg entzogen.
Der mittelbare Zwang, den Gesellschaftern Prozessvollmachten zu erteilen, ist
nicht nur eine bürokratische Hürde, die den Mandanten möglicherweise verständlich
gemacht werden könnte. Letztlich kommt es einem faktischen Verbot der Nutzung
der LLP zur Rechtsberatung in Deutschland gleich, wenn der Gesellschaft die Postulationsfähigkeit abgesprochen wird. Schließlich ist die Zwischenschaltung der Gesellschaft de facto sinnlos, wenn durch das Erfordernis der Prozessvollmacht für die
Gesellschafter eine allgemeine persönliche Haftung eingeführt wird. Schließlich
führt die Verneinung der Postulationsfähigkeit zu einem massiven Eingriff in die
Haftungsverfassung der LLP. Mithin wird die Haftungsverfassung der Gesellschaft
gänzlich ausgehebelt und auf dem Umweg über die Prozessvollmacht durch ein
System der generellen persönlichen Gesellschafterhaftung ersetzt.
2305 Siehe oben Teil 2 B V 2 b) bb), c), VI.
2306 Siehe oben Teil 2 B V 2 b) bb), c), VI.
2307 Siehe oben Teil 2 B V 3.
2308 EuGH, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Ziff. 37.
2309 Ähnlich Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1104.
2310 Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 423f.; Henssler, NJW 1999, 241, 243.
2311 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1106 (unter Punkt 7.1.3, Prozessvollmacht: Haftungsfalle
für LLP-Anwälte? ); zur Haftung des konkret handelnden Prozessbevollmächtigten im Allgemeinen s. BGH, Beschl. v. 19.11.2001 AnwZ (B) 75/00, NJW 2002, 1419.
2312 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
285
Zur Beurteilung der Frage, ob eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegt, kommt es nicht auf die rechtlichen Grundlagen, sondern vorrangig auf die
Wirkung der nationalen Maßnahme an.2313 Die Negierung der Postulationsfähigkeit
in Ermangelung einer Eintragung in das Handelsregister macht es für die LLP weit
weniger attraktiv, in Deutschland tätig zu werden. Die in letzter Konsequenz verursachte Missachtung des Haftungsregimes der LLP könnte sogar als konkrete Behinderung der Niederlassung in Deutschland angesehen werden.
Überdies ist in Überseering bereits hinsichtlich der Parteifähigkeit klargestellt
worden, dass eine inländische Registrierung nicht verlangt werden darf.2314 Wenn
die LLP als Partei auftritt, wird sie von ihren Gesellschaftern vertreten. Insofern
ergibt sich eine vergleichbare Ausgangslage wie bei dem Tätigwerden für einen
Mandanten. Hinsichtlich der zusätzlichen Problematik der Anwaltszulassung wurde
vorstehend gezeigt, dass die gemäß § 31 BRAO zu führenden Verzeichnisse den
Rechtsverkehr umfassend informieren. Auch dies spricht dafür, den Zwang zur Eintragung in das Partnerschaftsregister als Voraussetzung der Gewährung der Postulationsfähigkeit als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit einzuordnen. Im Ergebnis liegt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor.
b) Rechtfertigung des Eingriffs
Ferner legen Weller und Kienle dar, dass das Erfordernis der Eintragung mit der
Niederlassungsfreiheit vereinbar sei, weil keine Diskriminierung der LLP erfolge.
Die LLP werde wie eine deutsche Partnerschaft behandelt.2315
Doch ergeben sich Zweifel an einer europarechtlichen Rechtfertigung anhand des
vierstufigen Rechtfertigungsstandards2316 gerade aufgrund der Diskriminierung der
LLP. Denn die infolge der Ersteintragung bestehende LLP wird nicht wie die aufgrund der Eintragung bestehende Partnerschaft behandelt. Solange die LLP nicht die
Eintragung der Zweigniederlassung vorgenommen hat, wird sie hinsichtlich der
Postulationsfähigkeit wie ein rechtliches nullum behandelt. Ihre Existenz wird erst
anerkannt, wenn sie in Deutschland registermäßig erfasst wird. Es erfolgt gleichsam
eine Verdoppelung der Eintragungspflicht der LLP.
Die bereits erfolgte, der deutschen Eintragung vergleichbare Registrierung in
England2317 wird nicht berücksichtigt. Vergleichsobjekt ist jedoch nicht die in der
Gründung befindliche Partnerschaft, sondern die bestehende Partnerschaft. Zudem
handelt die LLP ebenso wie die Partnerschaft durch ihre postulationsfähigen Vertreter. Insgesamt ist von einer Diskriminierung der LLP auszugehen, die europarechtlich nicht gerechtfertigt werden kann.
2313 Siehe oben Teil 2 B V 2 b) bb), c), VI.
2314 EuGH, Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919.
2315 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1104.
2316 EuGH, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165; siehe auch oben Teil 2 B II 4, IV 4.
2317 Siehe oben Teil 2 C V 4 c), d).
286
Darüber hinaus ist, selbst wenn das von Weller und Kienle angeführte elementare
Informationsinteresse in prozessrechtlicher Hinsicht als zwingender Grund des Allgemeinwohls anzuerkennen wäre, das Eintragungserfordernis zur Erlangung der
Postulationsfähigkeit unverhältnismäßig. Überdies ist vorstehend gezeigt worden,
dass gemäß § 31 BRAO der Rechtsverkehr durch die Rechtsanwaltsverzeichnisse in
ausreichendem Maße über das Bestehen einer Zulassung informiert wird. Alternativ
könnte eventuell, wie bei der registerrechtlichen Pflicht zur Eintragung der Zweigniederlassung2318, welche der Information und dem Schutz Dritter dient2319, ein
Zwangsgeld erwogen werden. Dies zeigt auch, dass die Information des Rechtsverkehrs bereits anderweitig geschützt wird. Zudem ist nicht ganz von der Hand zu
weisen, dass jede zusätzliche Form der Sanktionierung neben dem im Registerrecht
vorgesehenen Zwangsgeld europarechtlich bedenklich sein könnte.
Ferner kann dem Überseering-Urteil des EuGH zur Parteifähigkeit der EU-
Auslandsgesellschaft entnommen werden, dass die Parteifähigkeit nicht von einer
inländischen Eintragung abhängig gemacht werden darf.2320 In dieser Entscheidung
wurde die Rechtfertigung der Negierung der Parteifähigkeit abgelehnt. Diese Entscheidung ist vorliegend von besonderer Relevanz, weil es bei der Vertretung der
eigenen Mandanten unter Verwirklichung des Gesellschaftszwecks der LLP als
Berufsausübungsgesellschaft um vergleichbar wesentliche Aspekte der Anerkennung dieser Gesellschaft geht wie bei der gerichtlichen Geltendmachung vertraglicher Ansprüche der LLP im eigenen Namen gegenüber Vertragspartnern.
Jedenfalls ist ein Informationsbedürfnis auch beim Prozessgegner der im eigenen
Namen vor Gericht auftretenden LLP vergleichbar mit den von der Gegenansicht2321
vorgebrachten Informationsinteressen bei Vertretung eines Mandanten vor Gericht.
Dass dieses Interesse nicht zur Rechtfertigung einer derart weit reichenden Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ausreicht, hat die Überseering-Entscheidung
eindrucksvoll demonstriert.
Schließlich ist allgemein anerkannt, dass die Partnerschaftsgesellschaft ihre
Postulationsfähigkeit von der Postulationsfähigkeit der für sie tätigen Rechtsanwälte
ableitet.2322 Daher ist zur Vermeidung einer Diskriminierung auch der LLP, sofern
die Postulationsfähigkeit der Partner besteht, die Postulationsfähigkeit zu gewähren.2323 Ein konstitutives Eintragungserfordernis würde in Bezug auf die Zweigniederlassung dazu führen, dass im Gegensatz zur wirksam gegründeten und eingetragenen Partnerschaft nicht allein die Postulationsfähigkeit der anwaltlichen Gesellschafter, sondern eine zusätzliche (Zweit-)Eintragung zur Erlangung der
Postulationsfähigkeit der LLP erforderlich wäre. Dies unterstreicht die diskriminie-
2318 Siehe oben Teil 2 C IX 2 b).
2319 Siehe oben Teil 2 C VIII.
2320 EuGH, Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919.
2321 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1104.
2322 Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1398f.
2323 Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1398f., gehen nicht auf das Vorliegen einer Diskriminierung ein und setzen wohl eine konstitutive Eintragung voraus, legen jedoch dar, dass die
europarechtliche Niederlassungsfreiheit zur Gleichbehandlung der LLP zwinge.
287
rende Wirkung einer solchen Unterscheidung. Diese Diskriminierung der LLP ist
einer Rechtfertigung auf europarechtlicher Ebene nicht zugänglich.
c) Ergebnis
Insgesamt stellt die Versagung der Postulationsfähigkeit bei fehlender Eintragung
der Zweigniederlassung eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung der LLP
dar. Dies gilt unabhängig von der prozess- oder gesellschaftsrechtlichen Qualifikation von § 7 Abs. 4 PartGG.
III. Ergebnis
Im Ergebnis ist die Anwalts-LLP in Deutschland gemäß § 7 Abs. 4 PartGG postulationsfähig. Dies gilt unabhängig von der Eintragung der Zweigniederlassung. Die
Substitution führt nicht zur Notwendigkeit der konstitutiven Eintragung der Zweigniederlassung. Überdies wäre eine solche Eintragungspflicht als diskriminierende
Maßnahme europarechtlich unzulässig.
F. Zusammenfassung
Der funktionale Vergleich mit Partnerschaft und GmbH zeigt, dass die Anwalts-LLP
partnerschaftsäquivalent ist. Im Wege der Substitution erfolgt die Eintragung ins
Partnerschaftsregister. Die Eintragungspflicht ist europarechtlich zulässig. Als Sanktion kommt ein Zwangsgeld in Betracht, während ein Entzug des Haftungsprivilegs
als Diskriminierung gegenüber der Partnerschaft zu einer unzulässigen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führen würde.
Aus dem EuRAG sind auch bei Berücksichtigung der Niederlassungsrichtlinie
keine unmittelbaren Vorgaben für die Nutzung der LLP zur Rechtsberatung in
Deutschland zu ermitteln. Das RBerG bzw. das RDG sowie die den Zusammenschluss zur gemeinsamen Berufsausübung betreffenden Vorschriften der BRAO
dienen dem Schutz von Gemeininteressen und sind im Wege der Sonderanknüpfung
von Eingriffsnormen grundsätzlich auf die in Deutschland niedergelassene LLP
anwendbar. Es besteht keine Erlaubnispflicht nach dem RBerG bzw. nach dem
RDG, die europarechtlich unzulässig wäre. Ebenso wenig kann auf der Grundlage
von § 51 a Abs. 2 BRAO ein Entzug des Haftungsprivilegs konstruiert werden. Die
Vorschrift hat klarstellende Funktion und bezieht sich auf die GbR. Zudem würde
die Umgestaltung des Haftungsregimes gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen.
Auch die berufsrechtliche Erfassung der LLP hat sich an ihrer Partnerschafts-
äquivalenz zu orientieren. Im Wege der Substitution finden die Vorschriften der
BRAO, welche die gemeinsame Berufsausübung in der Partnerschaft regeln, auf die
funktional vergleichbare LLP Anwendung. Im Einzelnen ist § 59 a BRAO anwend-
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.