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XI. Sonderproblem der Versicherungspflicht
1. Fehlende Substituierbarkeit
Es wurde bereits gezeigt, dass §§ 59 c ff. BRAO nicht auf die LLP anwendbar
sind.2249 Dies gilt auch für die Vorschrift des § 59 j BRAO, welche die Pflicht zum
Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung für die Kapitalgesellschaft statuiert
und das Zuwiderhandeln durch Anordnung der persönlichen Haftung der Gesellschafter sanktioniert. Denn die in § 59 j BRAO getroffene Regelung soll die Problematik abfedern, die daraus entsteht, dass bei der Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft in der Regel nur die Gesellschaft, nicht aber der handelnde Rechtsanwalt haftet.2250 Da in der partnerschaftsäquivalenten LLP die handelnden Rechtsanwälte persönlich haften2251, ist dieser Schutzbelang nicht tangiert. Die Handelndenhaftung in der LLP entspricht der für die Partnerschaft in § 8 Abs. 2 PartGG
vorgesehenen Handelndenhaftung.2252 Im Übrigen würde bei Anwendung von § 59 j
BRAO eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung der LLP im Verhältnis zur
Partnerschaft erfolgen.
2. Berücksichtigung von § 8 Abs. 2 EuRAG
Nach der Gegenauffassung besteht für die Anwalts-LLP trotz der persönlichen Handelndenhaftung der LLP-Gesellschafter aus negligence eine Versicherungspflicht.2253 Teilweise wird eine Versicherungspflicht aus § 8 Abs. 2 EuRAG abgeleitet.2254 Dabei wird ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass in § 8 Abs. 2
EuRAG ein Rechtsgedanke des Inhalts enthalten sei, dass ein Ausschluss einer persönlichen Haftung nur bei Abschluss einer § 59 j BRAO entsprechenden Berufshaftpflichtversicherung zulässig sei.2255 Dies könne auf die LLP übertragen werden.2256 Dem ist nicht zu folgen. Denn § 8 Abs. 2 EuRAG sieht die Versicherungspflicht nur bei Ausschluss der Handelndenhaftung, mithin durch Nutzung einer
Kapitalgesellschaft, vor.2257 Zudem wurde oben2258 gezeigt, dass § 8 EuRAG eine in
2249 Siehe oben Teil 2 D VIII 3, X; auch Grunewald/Müller, NJW 2005, 465, 468 gehen davon
aus, dass § 59 j BRAO ausländische Kapitalgesellschaften betrifft und legen weiterhin dar,
dass die Versicherungspflicht nur besteht, wenn keine Handelndenhaftung besteht.
2250 Feuerich/Weyand, § 59 j BRAO Rdnr. 1.
2251 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
2252 Siehe oben Teil 2 C V 13 d).
2253 Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1399; so auch Sassenbach, AnwBl 2007, 293, 296.
2254 Sassenbach, AnwBl 2007, 293, 296.
2255 So wohl Sassenbach, AnwBl 2007, 293, 296; zur Bedeutung des EuRAG siehe oben Teil 2 D
II.
2256 So wohl Sassenbach, AnwBl 2007, 293, 296.
2257 In diese Richtung tendierend wohl noch Henssler/Mansel, Festschr. f. Horn, S. 403, S. 423;
Grunewald/Müller, NJW 2005, 465, problematisieren die Reichweite des Anwendungsbe-
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Deutschland niedergelassenen LLP nicht betrifft. Daher können in dieser Norm
möglicherweise enthaltene Rechtsgedanken nicht in apodiktischer Manier übertragen werden.
3. Berücksichtigung der nichtakzessorischen Gesellschafterhaftung
Ferner wird die Versicherungspflicht damit begründet, dass eine akzessorische Gesellschafterhaftung bei der LLP ausgeschlossen sei. Daher finde § 59 j BRAO Anwendung.2259 Dem ist nicht zuzustimmen. Dies gilt nach dem vorstehend2260 zu den
§§ 59 c ff. BRAO Gesagten bereits aufgrund der fehlenden Substituierbarkeit. Die
LLP ist nicht mit der GmbH funktional vergleichbar, so dass eine Substitution ausscheidet.2261 Dem Abstellen auf den Ausschluss der akzessorischen Gesellschafterhaftung liegt primär eine formale Sichtweise zugrunde. Überdies greift § 59 j BRAO
jedenfalls dann nicht, wenn der handelnde Gesellschafter unbeschränkt persönlich
haftet.2262 Bei der Anwalts-LLP haften die verantwortlichen Gesellschafter persönlich.2263 Daher ist die Pflichtversicherung nach § 59 j BRAO nicht erforderlich.
Weiter ist nicht von der Hand zu weisen, dass in Bezug auf die von der Berufshaftpflichtversicherung potentiell abzudeckenden Risiken die Haftungslage bei der
LLP nicht nur mit derjenigen der Partnerschaft vergleichbar, sondern sogar besser
ist. Denn für berufliche Fehler haften die LLP-Gesellschafter unmittelbar persönlich
aus negligence.2264 Dies ist im Vergleich zur akzessorischen Gesellschafterhaftung,
welche von dem Bestand der Gesellschaftsschuld abhängt, ein qualitativ besserer
Schutz. Schließlich bedeutet die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung gerade,
dass die Gesellschafter zwar für die Gesellschaftsschuld haften, ihnen dabei aber alle
Einreden und Einwendungen der Gesellschaft zustehen.2265 Die akzessorische Gesellschafterhaftung für eine Gesellschaftsschuld ist ein Minus im Vergleich zur unmittelbaren persönlichen Haftung aus negligence.
Im Gegensatz zur Partnerschaft ist bei der LLP neben der vertraglichen Haftung
der Gesellschaft zur Begründung der Gesellschafterhaftung der Umweg über die
Haftung für Gesellschaftsschulden nicht nötig. Vielmehr ist der direkte Zugriff auf
den Gesellschafter, der neben der Gesellschaft für seine eigene Verbindlichkeit
reichs von § 8 Abs. 2 EuRAG nicht, sehen den Wortlaut aber als missglückt an und meinen,
dass nur dann, wenn kein Gesellschafter persönlich hafte, die Pflichtversicherung gerechtfertigt sei; a. A. Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1399; Sassenbach, AnwBl 2007, 293, 296.
2258 Siehe oben Teil 2 D II 3.
2259 Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1399.
2260 Siehe oben Teil 2 D VIII 3, X.
2261 Siehe oben Teil 2 D VIII 3, X.
2262 So auch Grunewald/Müller, NJW 2005, 465, 468, im Rahmen ihrer allgemeinen Analyse
ausländischer Rechtsberatungsgesellschaften.
2263 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
2264 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
2265 Schmidt, S. 1415ff.
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haftet, möglich. Folglich kann auch unter dem Gesichtspunkt der ratio der Norm,
nämlich des Schutzes des Mandanten, keine Pflicht zum Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung hergeleitet werden.
Überdies kann das Abstellen auf die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung
nicht unter dem Gesichtspunkt der akzessorischen Haftung für sonstige Gesellschaftsschulden, welche bei der Partnerschaft, nicht jedoch bei der LLP gewährleistet ist, die Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflicht begründen. Denn die
Berufshaftpflichtversicherung kommt sonstigen Gesellschaftsgläubigern nicht zugute. Die Berufshaftpflichtversicherung schützt nicht die Interessen der sonstigen
Gesellschaftsgläubiger, die als Vermieter oder Lieferanten in vertraglicher Geschäftsbeziehung zur Anwalts-LLP stehen. Vielmehr ist der alleinige Zweck der
Berufshaftpflichtversicherung, bei Berufsfehlern der Rechtsanwälte eine Risikoabsicherung der Mandanten zu gewährleisten. Folglich ist das Kriterium des Ausschlusses der akzessorischen Gesellschafterhaftung nicht geeignet, einen Versicherungszwang für die Anwalts-LLP auszulösen.
Überdies fehlt es dem Verweis darauf, dass bei Gesellschaften wie AG und
GmbH schließlich auch eine Haftung der Gesellschafter aus einem anderen Rechtsgrund in Betracht komme2266, an Überzeugungskraft. Schließlich erkennt die deutsche Rechtstradition im Gegensatz zum englischen Rechtskreis keine allgemeine
Berufshaftung an.2267 Nur ausnahmsweise kommt eine Haftung aus c. i. c. in
Betracht.2268 Auch in der Diskussion um die Einführung der Anwalts-GmbH in
Deutschland bildete die Durchtrennung des vertraglichen Haftungsbandes zwischen
Mandant und Rechtsanwalt einen Streitpunkt. Es wurde sogar die Ausstattung der
Anwalts-GmbH mit einer Regelung zur Handelndenhaftung erwogen.2269
Demgegenüber existiert in der englischen LLP eine andere Haftungslage. Aufgrund der professional liability erfolgt eine doppelspurige Absicherung des Mandanten, wobei die deliktsrechtliche Verantwortung auch bei Gründung einer LLP fortbesteht.2270 Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Haftungslage in Deutschland, wo das Haftungsband zwischen handelndem Rechtsanwalt und Mandant,
soweit berufliche Fehler betroffen sind, durch die GmbH-Gründung völlig durchtrennt wird.
Da die Berufshaftpflichtversicherung die allgemeine Absicherung des Mandanten
im Falle von reinen Berufsfehlern bezweckt, ist vorrangig die Haftungslage bei
Berufsfehlern zu betrachten. Bei Gesellschaftern der deutschen GmbH oder AG
kommen für eine Haftung aus anderem Rechtsgrunde vorrangig die deutschen
Grundsätze der Durchgriffshaftung in Betracht, nicht jedoch die wesensverschiedene
englische professional liability. Die Haftung aus anderem Rechtsgrunde betrifft im
Allgemeinen keine Haftungslagen, die aus der beruflichen Tätigkeit resultieren und
2266 Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1399.
2267 Siehe die Diskussion unten Teil 3 B I 5.
2268 Siehe unten Teil 3 B I 2, 5.
2269 Siehe unten Teil 3 B I 5.
2270 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
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sollte innerhalb der Analyse der Berufshaftpflichtversicherung keine Rolle spielen.
Demgegenüber sieht sich der anwaltliche Gesellschafter der englischen LLP stets
der allgemeinen Berufshaftung ausgesetzt.2271 Angesichts dieses wesentlichen Unterschiedes stützt der Einwand der möglichen Haftung aus anderem Rechtsgrund die
Befürwortung der Anwendung von § 59 j BRAO nicht.
Auch der von einer Ansicht aufgezeigte Aspekt, dass Berufsausübungsgesellschaften in der Regel über ein geringes Gesellschaftsvermögen verfügen2272, ist in
diesem Zusammenhang bedeutungslos. Denn dies trifft unter Umständen auch auf
eine Partnerschaft zu. Angesichts der aufgezeigten vergleichbaren Haftungslage bei
LLP und Partnerschaft2273 kann aufgrund dieses Kriteriums keine Differenzierung
erfolgen. Insgesamt besteht aufgrund der dargelegten Bedenken keine Versicherungspflicht nach § 59 j BRAO wegen nicht-akzessorischer Gesellschafterhaftung.2274
4. Europarechtliche Erwägungen
Die Versicherungspflicht nach § 59 j BRAO, die mit entsprechenden Versicherungsprämien einhergeht, macht es aufgrund der aufgezwungenen finanziellen Belastung für eine LLP weniger attraktiv, sich in Deutschland niederzulassen, so dass
eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegt. Zudem erfolgt trotz vergleichbarer Haftungslage in Bezug auf Schäden, die der Mandant durch Berufsfehler
erleidet und welche den ausschließlichen Gegenstand der Risikoabsicherung durch
den geforderten Zwang zur Berufshaftpflichtversicherung bilden, eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung im Vergleich zur Partnerschaft. Überdies könnten
Gründe des Gemeinwohls, wie der Gläubigerschutz, aufgrund der Vergleichbarkeit
der Haftungslage bei Partnerschaft und LLP2275 kaum überzeugend zur Rechtfertigung vorgebracht werden.
5. Ergebnis
Im Ergebnis besteht weder unmittelbar bzw. im Wege der Substitution gemäß § 59 j
BRAO noch mittelbar aufgrund von § 8 Abs. 2 EuRAG oder des Ausschlusses der
akzessorischen Gesellschafterhaftung die Pflicht zum Abschluss einer Berufshaft-
2271 Siehe oben Teil 1 E III 4 c).
2272 Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393, 1399.
2273 Siehe oben Teil 2 C V 13 d), 14.
2274 Nach BRAK, Empfehlungen zur Frage der Behandlung europäischer Rechtsanwaltsgesellschaften, BRAK-Mitt. 1/2008, 17, 18, soll die LLP eine Berufshaftpflicht abschließen,
wobei dies als empfehlenswert erachtet wird, ohne dass auf die Frage, ob eine Verpflichtung, etwa aus § 59 j BRAO, besteht, eingegangen wird.
2275 Siehe oben Teil 2 C V 13 d).
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pflichtversicherung der Anwalts-LLP. Ein anderes Ergebnis wäre mit dem Europarecht nicht zu vereinbaren.
XII. Ergebnis
Im Ergebnis besteht weder eine Erlaubnispflicht nach dem RBerG bzw. dem RDG
noch ein berufsrechtliches Verbot der LLP als Rechtsberatungsgesellschaft. Auch
eine Umgestaltung des Haftungsregimes durch § 51 a Abs. 2 BRAO erfolgt nicht.
Zudem würden andernfalls erhebliche Verstöße gegen die Niederlassungsfreiheit
vorliegen. § 59 a BRAO ist auf die partnerschaftsäquivalente LLP im Wege der
Substitution anwendbar. Die Beschränkung des Gesellschafterkreises ist grundsätzlich europarechtlich zulässig. Die LLP ist aufgrund fehlender funktionaler Vergleichbarkeit mit der GmbH nicht dem Erfordernis einer Zulassung nach § 59 c
BRAO unterworfen. Überdies wäre dies europarechtlich unzulässig. Auch ein Anspruch auf Zulassung besteht nicht. Eine direkte oder indirekte Versicherungspflicht
besteht für die LLP nicht und wäre europarechtlich nicht zulässig.
E. Auftreten als Prozessbevollmächtigte und Postulationsfähigkeit
I. Einleitung
Fraglich ist, inwieweit die englische Anwalts-LLP in Prozessen vor deutschen Gerichten für ihre Mandanten agieren kann. Dabei geht es um die Postulationsfähigkeit
der Gesellschaft und die damit verbundene Möglichkeit, als Prozessbevollmächtigte
aufzutreten. Diese Fragen sind dem Bereich des Prozessrechtrechts zuzuordnen.2276
Damit unterliegen sie der lex fori-Qualifikation und sind nach deutschem Prozessrecht zu beurteilen.2277 Bei den deutschen Rechtsanwaltsgesellschaften ist die Postulationsfähigkeit spezialgesetzlich in § 59 l BRAO für die Rechtsanwalts-GmbH und
in § 7 Abs. 4 PartGG für die Partnerschaft in Ableitung von den Befugnissen der für
sie handelnden Vertreter und Organe bzw. Partner geregelt.2278 Diese Vorschriften
sind prozessrechtlich zu qualifizieren.2279
Die Postulationsfähigkeit der Gesellschaften besteht in gleichem Umfang wie bei
ihren Vertretern, in deren Person die für die Erbringung rechtsbesorgender Leistungen gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen müs-
2276 Weller/Kienle, DStR 2005, 1102.
2277 BGH, Urt. v. 13.3.2003 VII ZR 370/98, BGHZ 154, 185, 190 = NJW 2003, 1461, 1462
(Überseering): Die Parteifähigkeit unterliegt der lex fori; Weller/Kienle, DStR 2005, 1102;
Schack, Rdnr. 541.
2278 Zöller, vor § 50 ZPO Rdnr. 16.
2279 So Weller/Kienle, DStR 2005, 1102, 1104 hinsichtlich § 4 Abs. 4 PartGG.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.