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b) Konsequenzen für die englische LLP
Die Leitgedanken dieses Urteils des BGH sind auf die Sanktion der unterlassenen
Eintragung der LLP übertragbar.1808 Der BGH folgt der herrschenden Meinung1809
und wendet die Gründungstheorie an, wobei im konkreten Fall festgestellt wird, dass
die Haftung nach dem englischen Gründungsrecht zu beurteilen ist.1810 Diesbezüglich ist anzumerken, dass es bei § 11 Abs. 2 GmbHG um die Frage einer Haftung im
Vorgründungsstadium geht, die auch dem Statut der in Aussicht genommenen Gesellschaft unterliegt.1811 Ferner wird herausgearbeitet, dass eine über § 14 HGB
hinausgehende Sanktion europarechtlich nicht zulässig ist.1812
Dies gilt auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Elften Richtlinie. Auch bei
der LLP ist ein Entzug der Haftungsbeschränkung mit der europarechtlichen Pflicht
zur Anerkennung und der Maßgeblichkeit des Gründungsrechts nicht in Einklang zu
bringen. Ein ausnahmsweises Abweichen von diesen Grundsätzen ist europarechtlich nicht zulässig. Dies folgt daraus, dass den EU-Auslandsgesellschaften die Teilnahme am Wirtschaftsleben zu den gleichen Bedingungen wie den inländischen
Gesellschaften zu gewährleisten ist.1813 Bei der Partnerschaft ist lediglich ein
Zwangsgeld vorgesehen.1814 Diese Sanktion besteht für LLP und Partnerschaft gleichermaßen und ist als nichtdiskriminierende Maßnahme, im Gegensatz zu einem
Haftungsentzug, verhältnismäßig.
X. Ergebnis
Im Ergebnis ist die Anwalts-LLP ins Partnerschaftsregister einzutragen. Als Sanktion kommt nur ein Zwangsgeld in Betracht. Ein Entzug der Haftungsbeschränkung
ist bei Geltung der Gründungstheorie kollisionsrechtlich nicht zu begründen und
europarechtlich unzulässig.
1808 Weller/Kienle, DStR 2005, 1060, 1061, 1064.
1809 Siehe oben Teil 2 B V 2 d) aa), bb), dd) zum Übergang zur Gründungstheorie; s. Schnittker,
S. 107f.; Bank, S. 359ff.
1810 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016.
1811 MünchKomm/Kindler, IntGesR Rdnr. 523 u. 527ff.; auch Ressos, Anm. zu BGH, Urt. v.
14.3.2005 II ZR 5/03, DB 2005, 1048f. spricht sich für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation von § 11 Abs. 2 GmbHG aus.
1812 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016, 1017; zustimmend Lehmann, NZG
2005, 580, 581f.; Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1619; Bruns, EWiR 2005, 431, 432; a. A.
Paefgen, GmbHR 2005, 957, 961ff. der zwar dem BGH hinsichtlich der Ablehnung einer
Anwendung von § 11 Ab. 2 GmbHG zustimmt, sich jedoch für die Anordnung einer Handelndenhaftung ausspricht; ähnlich Leible/Hoffmann, Anm. zu BGH, Urt. v. 14.3.2005 II
ZR 5/03, RIW 2005, 544, 546f.; Borges, ZIP 2004, 733, 736.
1813 EuGH, Rs. C-411/03 (SEVIC), Slg. 2005, I-10805; siehe auch die Diskussion der neueren
EuGH-Rechtsprechung oben Teil 2 B IV, V.
1814 § 5 Abs. 2 PartGG i. V. m. § 14 HGB.
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D. Berufsrechtliche Erfassung der LLP
I. Einführung
Es ist zu prüfen, welche berufsrechtlichen Anforderungen an eine LLP gestellt werden können. Das Berufsrecht schränkt die Gestaltungsfreiheit zum Schutz der
Rechtsuchenden ein.1815 Im Bereich des Berufsrechts prallen Tradition und Innovation mit besonderer Wucht aufeinander, wenn deutsche Rechtsanwälte sich ausländischer Gesellschaftsformen, wie der LLP, bedienen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant genießt als prägendes Merkmal der Mandatierung vollumfänglichen Schutz.1816. Zudem zeichnet sich ein Trend zur fortschreitenden
Liberalisierung des anwaltlichen Berufsrechts hinsichtlich der gemeinsamen Berufsausübung ab. Im Jahre 2005 hat der BGH den Rechtsanwälten die Berufsaus-
übung in der AG gestattet.1817 Ferner erfolgen Änderungen der BRAO, insbesondere
die Aufhebung des Verbots der Sternsozietät1818.
Fraglich ist, inwieweit die Nutzung der englischen LLP von diesen Berufsregeln
tatbestandlich erfasst wird. In Betracht kommen insbesondere die §§ 59 a, 59 c ff.
BRAO. Auch auf die Problematik einer Rechtsberatungserlaubnis nach dem RBerG
bzw. RDG ist einzugehen. Zudem spielt ausgehend von europarechtlichen Bezügen
möglicherweise das EuRAG eine Rolle.
II. Bedeutung des EuRAG
1. Anwendungsbereich des EuRAG
Drei EU-Richtlinien, die Rechtsanwaltsdienstleistungsrichtlinie1819, die mittlerweile durch die Berufsanerkennungsrichtlinie1820 ersetzte Hochschuldiplomanerken-
1815 Siehe die Erörterung unten Teil 2 D VII 2, VIII 2; zu § 59 c BRAO siehe Feuerich/Weyland/Vossebürger, § 59 c BRAO Rdnr. 2 und Grunewald/Müller, NJW 2005, 465,
468; zu § 59 a BRAO siehe Grunewald/Müller, NJW 2005, 465, 467 und Henssler/Prütting/Henssler § 59 a BRAO, Rdnr. 23; zum RBerG siehe BGH, Urt. v. 5.10.2006
I ZR 7/04, ZIP 2007, 282, 283; Chemnitz/Johnigk, § 1 RBerG Rdnr. 18; Henssler/Prütting/Weth, Einl. RBerG Rdnr. 5.
1816 BVerfG, Beschl. v. 18.4.2007 2 BvR 2094/05, MMR 2007, 503, 504; BVerfG, Beschl. v.
30.4.2007 2 BvR 2151/06, MMR 2007, 500, 502.
1817 BGH, Urt. v. 10.1.2005 AnwZ (B) 27/03 u. 28/03, BGHZ 161, 376.
1818 Art. 4 Nr. 3 und Nr. 4 BGBl 2007 I 2840, 2848f.; vgl. bereits BR-Drucks. 705/07, Art. 4 Nr. 3
und Nr. 4; sowie BT-Drucks. 16/3655, Art. 4 Nr. 3 und Nr. 4, S. 14f., Zu Art. 4 Nr. 3, S. 82f.,
Zu Art. 4 Nr. 4, S. 84.
1819 Richtlinie 77/249/ EWG des Rates vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen
Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte, ABl. EG Nr. L 78 v.
26.3.1977, S. 17.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.