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IX. Fehlende Eintragung in das Partnerschaftsregister
1. Kollisions- und materiellrechtliche Ausgangslage
Fraglich ist, welche Konsequenzen an die Unterlassung der Eintragung der Zweigniederlassung einer LLP geknüpft werden können. Die Anwendung der registerrechtlichen Vorschriften als lex fori ist kollisionsrechtlich gegeben.1779 Auf Tatbestandsebene ist durch Substitution die für die Partnerschaft greifende Sanktion des
Zwangsgeldes1780 auf die LLP übertragbar.
Weiterhin ist zu prüfen, ob sich die Mitglieder der LLP bei fehlender Eintragung
der Zweigniederlassung auf Haftungsbeschränkungen, die nach dem englischen
Gründungsrecht greifen, berufen können. Da die LLP, wie eine Partnerschaft in
Deutschland, bereits in England registriert worden ist und den dortigen Offenlegungspflichten nachgekommen ist, ist dies zu bejahen. Schließlich ist in Deutschland im Verhältnis zu EU-Auslandsgesellschaften mittlerweile der Übergang zur
Gründungstheorie vollzogen worden, so dass das englische Gründungsrecht Gesellschaftsstatut ist.1781 Der Regelungsbereich des Personalstatuts umfasst die Gründungsvorgänge und auch die Frage der Handelndenhaftung im Stadium der Vorgesellschaft.1782 Nach englischem Recht ist die LLP rechtswirksam gegründet worden,
und die damit verbundene Haftungsbeschränkung greift.
Die frühere Rechtsprechung wandte § 11 GmbHG bei der englischen Ltd an. Dies
geschah im Zusammenhang mit der Anwendung der Sitztheorie.1783 Es wurde darauf
abgestellt, dass die Auslandsgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland nicht
rechtsfähig sei1784 und auch nicht ins deutsche Register eingetragen worden sei1785.
Daher sei die Norm des § 11 Abs. 2 GmbHG, die vor Eintragung eine Handelndenhaftung begründet, anwendbar.1786
Zwar scheitert eine Anwendbarkeit von § 11 Abs. 2 GmbHG1787 bereits an der
fehlenden Vergleichbarkeit von LLP und GmbH1788 und dem Übergang zur Grün-
1779 Siehe oben Teil 2 C I.
1780 § 5 Abs. 2 PartGG i. V. m. § 14 HGB.
1781 Siehe oben Teil 2 B V 2 d) aa), bb), dd).
1782 MünchKomm/Kindler, IntGesR Rdnr. 523 u. 527ff.
1783 OLG Oldenburg, Urt. v. 4.4.1989 12 U 13/89, NJW 1990, 1422, 1423; KG, Urteil v.
13.6.1989 6 U 591/89, NJW 1989, 3100, 3101.
1784 OLG Oldenburg, Urt. v. 4.4.1989 12 U 13/89, NJW 1990, 1422, 1423; KG, Urteil v.
13.6.1989 6 U 591/89, NJW 1989, 3100, 3101.
1785 KG, Urteil v. 13.6.1989 6 U 591/89, NJW 1989, 3100, 3101.
1786 OLG Oldenburg, Urt. v. 4.4.1989 12 U 13/89, NJW 1990, 1422, 1423; KG, Urteil v.
13.6.1989 6 U 591/89, NJW 1989, 3100, 3101.
1787 Die Anwendung von § 11 Abs. 2 GmbHG würde dazu führen, dass die Partner eine unbegrenzte persönliche Handelndenhaftung für ihr Handeln im Namen der Gesellschaft vor Eintragung treffen würde. § 11 Abs. 2 GmbHG sieht für das Stadium der Vorgesellschaft eine
Haftung von Geschäftsführern oder Personen, die wie ein Geschäftsführer erkennbar für
die künftige GmbH tätig werden, vor, s. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 11 GmbHG
Rdnr. 45ff.
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dungstheorie gegenüber EU-Auslandsgesellschaften1789. Doch könnte eventuell ein
Weg gefunden werden, einer LLP aufgrund der fehlenden Eintragung in Deutschland in vergleichbarer Weise die Haftungsbeschränkung abzusprechen. Möglicherweise wäre konstruktiv ein kollisionsrechtlicher Ansatz denkbar, der die Grundsätze
der Vorpartnerschaft, die zu einer uneingeschränkten Handelndenhaftung führen1790,
auf die LLP überträgt.1791 Daher ist auch diesbezüglich die europarechtliche Zulässigkeit zu prüfen.
2. Europarechtliche Zulässigkeit
a) Urteil des BGH vom 14.3.2005
Zur Beurteilung der europarechtlichen Zulässigkeit können die Leitgedanken eines
BGH-Urteils zur Anwendbarkeit von § 11 Abs. 2 GmbHG im Fall der nicht registrierten Niederlassung einer englischen Ltd herangezogen werden.1792 Der BGH
lehnte die Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG ab, weil nach dem EuGH
die Gesellschaft in der Rechtsform anzuerkennen sei, in der sie gegründet wurde.1793
Auch die Haftung sei nach dem Gründungsrecht zu beurteilen. Nach dem englischen
Recht bestehe keine persönliche Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten bei der
Ltd.1794 Überdies stellt der BGH klar, dass eine Handelndenhaftung aus § 11 Abs. 2
GmbHG nicht daraus abgeleitet werden kann, dass die Anmeldung der Zweigniederlassung unterlassen wurde.1795 Auch wenn die Elfte Richtlinie eine Rolle spielte,
stellt der BGH unter Verweisung auf das EuGH-Urteil Inspire Art fest, dass eine
über das Zwangsgeld nach § 14 HGB hinausgehende Sanktion nicht zulässig sei.1796
Der BGH legt dar:
Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten, denen zwar die Wahl der Sanktion verbleibt, namentlich darauf achten, dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleiche
Verstöße gegen nationales Recht, wobei die Sanktion nicht nur wirksam und abschreckend,
sondern auch verhältnismäßig sein muss (EuGH, ZIP 2003 a. a. O. Tz. 62, 133 Inspire Art).
1788 Siehe oben Teil 2 C V 14 a) bb), c), 15.
1789 Für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation von § 11 Abs. 2 GmbHG s. Ressos, Anm. zu
BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, DB 2005, 1048, 1049; zum Übergang zur Gründungstheorie siehe oben Teil 2 B V 2 d) aa), bb), dd); siehe Schnittker, S. 107f.; Bank, S. 359ff.
1790 Michalski/Römermann, § 7 Rdnr. 4f. PartGG.
1791 Siehe oben Teil 2 B V 2 e) aa), cc) zur Möglichkeit der Anwendung von deutschem Recht
nach sonstigen Kollisionsregeln und zur Sonderanknüpfung; siehe oben Teil 2 B V 2 b) bb)
zur abzulehnenden Methode der strategischen Qualifikation.
1792 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016; Weller/Kienle, DStR 2005, 1060, 1061,
1064.
1793 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016.
1794 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016f.
1795 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016, 1017.
1796 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016, 1017.
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Schon danach bleibt festzustellen, dass die offenbar vom Berufungsgericht befürwortete Sanktion der persönlichen Haftung des Beklagten als Geschäftsführer wegen Nichterfüllung der
Anmeldungspflicht weder gesetzlich vorgesehen ist noch etwa im Wege der Rechtsfortbildung
in Betracht käme. Als zulässige Sanktion im Sinne der 11. Richtlinie des Rates sieht das deutsche Recht in § 14 HGB allein die Festsetzung von Zwangsgeld für den Fall der Nichterfüllung der Anmeldepflicht pp. vor, nicht hingegen haftungsrechtliche Konsequenzen. 1797
Somit ist der Entzug der Haftungsbeschränkung auf europarechtlicher Ebene
nicht zu rechtfertigen.1798 Dem BGH ist im Ergebnis zuzustimmen.1799 Die Handelndenhaftung stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.1800 Nach Inspire
Art gilt der vierstufige Rechtfertigungsstandard.1801 Da die Aufhebung der Haftungsbeschränkung bei unterlassener Eintragung der Zweigniederlassung von inländischen Gesellschaften nicht vorgesehen ist, würde eine Diskriminierung der EU-
Auslandsgesellschaften erfolgen.1802
Es würde missachtet, dass die Gesellschaft im Gründungsstaat bereits existiert
und bei der Errichtung eine Publikation ihrer Rechtsverhältnisse erfolgt ist.1803 Somit
ist Bezugspunkt des Vergleichs nicht der erstmalige Marktzugang, sondern die Errichtung der Zweigniederlassung einer bereits existierenden Gesellschaft.1804 Wenn
die EU-Auslandsgesellschaft so behandelt wird, als sei sie nicht bereits eingetragen,
erinnert dies stark an den im Überseering-Urteil abgelehnten Ansatz, dass sie bei
inländischem Verwaltungssitz rechtlich nicht existent sei.1805 Schließlich ist die
generelle Geschäftsleiterhaftung als unverhältnismäßige Maßnahme europarechtlich
nicht zu rechtfertigen.1806 Mittlerweile hat sich das OLG Hamm der Rechtsprechung
des BGH angeschlossen und im Falle einer nicht registrierten deutschen Zweigniederlassung einer englischen Ltd sowohl die analoge Anwendung von § 11 Abs. 2
GmbHG als auch die Übertragung der deutschen Grundsätze der Durchgriffshaftung
abgelehnt.1807
Im Ergebnis ist es europarechtlich unzulässig, die unterlassene Eintragung der
Zweigniederlassung durch Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG zu sanktionieren.
1797 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016, 1017.
1798 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016, 1017.
1799 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1619f.; Lehmann, NZG 2005, 580; Weller/Kienle, DStR
2005, 1060, 1061, 1064; Bruns, EWiR 2005, 431, 432; a. A. Leible/Hoffmann, EuZW 2003,
677, 679; Wachter, ZNotP 2005, 122, 125.
1800 Ressos, Anm. zu BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, DB 2005, 1047, 1049.
1801 EuGH, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Ziff. 37; vgl. EuGH, Rs. C-19/92 (Kraus),
Slg. 1993,I-1663, Ziff. 32.
1802 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1619.
1803 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1619; Lehmann, NZG 2005, 580, 581.
1804 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1619; Lehmann, NZG 2005, 580, 581; a. A. Leible/Hoffmann,
RIW 2005, 544, 545; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679.
1805 Lehmann, NZG 2005, 580.
1806 Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1619; a. A. Leible/Hoffmann, RIW 2005, 544, 545f.
1807 OLG Hamm, Urt. v. 27.1.2006 12 U 108/05, NJW-RR 2006, 1631, 1632.
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b) Konsequenzen für die englische LLP
Die Leitgedanken dieses Urteils des BGH sind auf die Sanktion der unterlassenen
Eintragung der LLP übertragbar.1808 Der BGH folgt der herrschenden Meinung1809
und wendet die Gründungstheorie an, wobei im konkreten Fall festgestellt wird, dass
die Haftung nach dem englischen Gründungsrecht zu beurteilen ist.1810 Diesbezüglich ist anzumerken, dass es bei § 11 Abs. 2 GmbHG um die Frage einer Haftung im
Vorgründungsstadium geht, die auch dem Statut der in Aussicht genommenen Gesellschaft unterliegt.1811 Ferner wird herausgearbeitet, dass eine über § 14 HGB
hinausgehende Sanktion europarechtlich nicht zulässig ist.1812
Dies gilt auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Elften Richtlinie. Auch bei
der LLP ist ein Entzug der Haftungsbeschränkung mit der europarechtlichen Pflicht
zur Anerkennung und der Maßgeblichkeit des Gründungsrechts nicht in Einklang zu
bringen. Ein ausnahmsweises Abweichen von diesen Grundsätzen ist europarechtlich nicht zulässig. Dies folgt daraus, dass den EU-Auslandsgesellschaften die Teilnahme am Wirtschaftsleben zu den gleichen Bedingungen wie den inländischen
Gesellschaften zu gewährleisten ist.1813 Bei der Partnerschaft ist lediglich ein
Zwangsgeld vorgesehen.1814 Diese Sanktion besteht für LLP und Partnerschaft gleichermaßen und ist als nichtdiskriminierende Maßnahme, im Gegensatz zu einem
Haftungsentzug, verhältnismäßig.
X. Ergebnis
Im Ergebnis ist die Anwalts-LLP ins Partnerschaftsregister einzutragen. Als Sanktion kommt nur ein Zwangsgeld in Betracht. Ein Entzug der Haftungsbeschränkung
ist bei Geltung der Gründungstheorie kollisionsrechtlich nicht zu begründen und
europarechtlich unzulässig.
1808 Weller/Kienle, DStR 2005, 1060, 1061, 1064.
1809 Siehe oben Teil 2 B V 2 d) aa), bb), dd) zum Übergang zur Gründungstheorie; s. Schnittker,
S. 107f.; Bank, S. 359ff.
1810 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016.
1811 MünchKomm/Kindler, IntGesR Rdnr. 523 u. 527ff.; auch Ressos, Anm. zu BGH, Urt. v.
14.3.2005 II ZR 5/03, DB 2005, 1048f. spricht sich für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation von § 11 Abs. 2 GmbHG aus.
1812 BGH, Urt. v. 14.3.2005 II ZR 5/03, BB 2005, 1016, 1017; zustimmend Lehmann, NZG
2005, 580, 581f.; Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1619; Bruns, EWiR 2005, 431, 432; a. A.
Paefgen, GmbHR 2005, 957, 961ff. der zwar dem BGH hinsichtlich der Ablehnung einer
Anwendung von § 11 Ab. 2 GmbHG zustimmt, sich jedoch für die Anordnung einer Handelndenhaftung ausspricht; ähnlich Leible/Hoffmann, Anm. zu BGH, Urt. v. 14.3.2005 II
ZR 5/03, RIW 2005, 544, 546f.; Borges, ZIP 2004, 733, 736.
1813 EuGH, Rs. C-411/03 (SEVIC), Slg. 2005, I-10805; siehe auch die Diskussion der neueren
EuGH-Rechtsprechung oben Teil 2 B IV, V.
1814 § 5 Abs. 2 PartGG i. V. m. § 14 HGB.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.