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VI. Irrelevanz der Elften Richtlinie
Ergänzend ist zu klären, ob die Substitution aufgrund europarechtlicher Vorgaben
ausgeschlossen sein könnte. Sofern die Vergleichbarkeit bestimmter Rechtsformen
europarechtlich festgelegt worden wäre, bliebe für eine Substitution kein Raum
mehr. Problematisch ist, dass EU-Richtlinien Vorgaben in Bezug auf diejenigen
europäischen Rechtsformen enthalten, die mit der GmbH vergleichbar sind. Dies gilt
insbesondere im Hinblick auf die Elfte Richtlinie, sog. Zweigniederlassungsrichtlinie, welche in den §§ 13 d ff. HGB ins deutsche Recht umgesetzt worden ist. Möglicherweise wäre bei einer entsprechenden Vorgabe durch die Elfte Richtlinie die LLP
zwingend als Äquivalent einer GmbH in das Handelsregister einzutragen.
Die Vergleichbarkeit von Kapitalgesellschaften aus dem EU-Ausland mit der
GmbH ergibt sich aus den in Art. 1 Publizitätsrichtlinie1755 und Art. 1 der Zwölften
Richtlinie bzw. Einpersonengesellschaftsrichtlinie enthaltenen Aufzählungen.1756
Art. 1 Abs. 1 der Elften Richtlinie verweist hinsichtlich der erfassten Gesellschaftsformen auf Art. 1 Publizitätsrichtlinie, die Kapitalgesellschaften enumerativ auflistet. Auch nach der jüngsten Änderung der Publizitätsrichtlinie1757 zählt sie nur
zwei englische Rechtsformen, die public limited company als Pendant zur AG und
die private limited company als Äquivalent der GmbH auf. Diese Änderung verfolgte unter anderem den Zweck, die Liste der von der Publizitätsrichtlinie erfassten
Gesellschaften zu aktualisieren, um den seit der Verabschiedung dieser Richtlinie
neu geschaffenen Gesellschaftsformen Rechnung zu tragen.1758 Im Übrigen geht
auch die Zwölfte Richtlinie nur auf die private company limited by shares or by
guarantee ein.1759
Somit folgt bereits aus dem Wortlaut, dass die LLP nicht zum Kreis der von der
Elften Richtlinie erfassten Gesellschaftsformen zählt. Zudem wurde die Richtlinie
zur Änderung der Publizitätsrichtlinie im Jahre 2003 verabschiedet1760, mithin einige
1755 Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2
des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese
Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG Nr. L 65 v. 14.3.1968, S. 8.
1756 Eidenmüller/Rehberg, § 5 Rdnr. 73.
1757 Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 zur
Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von
Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG Nr. L 221 v. 4.9.2003, S. 13.
1758 Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 zur
Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von
Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG Nr. L 221 v. 4.9.2003, S. 13, Erwägungen
Ziff. 4.
1759 Zwölfte Richtlinie 89/667/EWG des Rates v. 21. Dezember 1989 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABl. EG Nr. L 395, v. 30.12.1989, S. 40 (Zwölfte Richtlinie).
1760 Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 zur
Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von
Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG Nr. L 221 v. 4.9.2003, S. 13.
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Zeit nach Einführung der LLP ins englische Recht. Der Umstand, dass die LLP im
Rahmen dieser Aktualisierung der Liste der erfassten Gesellschaften nicht berücksichtigt wurde, ist ein Anhaltspunkt dafür, dass die LLP nicht als Kapitalgesellschaft
im Sinne der Elften Richtlinie anzusehen ist.
Allerdings wird die europarechtliche Erfassung neuer oder neu gestalteter Gesellschaften diskutiert.1761 Es könnte eine kontinuierliche teleologische Fortschreibung 1762 der Enumeration durch Einbeziehung später entstandener Gesellschaftsformen, die bei Berücksichtigung der Zielsetzung der Richtlinie als gleich strukturiert anzusehen sind, in Betracht kommen.1763 Voraussetzung wäre die funktionale
Äquivalenz der neuen Gesellschaftsform mit einer bereits einbezogenen Gesellschaft.1764
Gegen eine Einbeziehung der LLP spricht bereits der Umstand, dass die LLP bei
der Änderung der Publizitätsrichtlinie1765 nicht in den Kreis der betroffenen Gesellschaften miteinbezogen wurde. Ferner ist die LLP zwar eine juristische Person.1766
Doch bezieht sich die Publizitätsrichtlinie nicht auf juristische Personen, sondern auf
Kapitalgesellschaften.1767 Demgegenüber ist die LLP einer Partnerschaft, mithin
einer Personengesellschaft funktional vergleichbar.1768
Auch auf europarechtlicher Ebene scheint eine Einordnung als Kapitalgesellschaft im Sinne der Publizitätsrichtlinie nicht sachgerecht. Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass die LLP im Rahmen der letzten Änderung der Publizitätsrichtlinie
wie auch die deutsche Partnerschaft nicht der Liste der erfassten Gesellschaften
hinzugefügt wurde. Für eine an Sinn und Zweck der Richtlinie orientierte Fortschreibung dieser Liste, welche diesen Umstand unberücksichtigt lässt, ist daher
kein Raum. Insgesamt ist eine Integration der LLP in den Wirkungsbereich der Elften Richtlinie abzulehnen.
VII. Durchführung der Eintragung
Im Wege der Substitution hat die Eintragung der Niederlassung als Zweigniederlassung in das Partnerschaftsregister zu erfolgen.1769 Die Errichtung der Zweignieder-
1761 Mülbert/Niehaus, RabelsZ 65 (2001), 513; Grundmann, S. 92f., Rdnr. 195 (zur Publizitätsrichtlinie).
1762 Grundmann, S. 96, Rdnr. 195 (zur Publizitätsrichtlinie).
1763 Mülbert/Niehaus, RabelsZ 65 (2001), 513, 533ff.; Grundmann, S. 92f., Rdnr. 195 (zur Publizitätsrichtlinie).
1764 Mülbert/Niehaus, RabelsZ 65 (2001), 513, 540.
1765 Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 zur
Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von
Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG Nr. L 221 v. 4.9.2003, S. 13.
1766 S. 1 LLPA 2000.
1767 Grundmann, S. 95f., Rdnr. 194f.
1768 Siehe oben Teil 2 C V 14 a) bb), c), 15.
1769 Siehe oben Teil 2 C V 15.
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References
Zusammenfassung
Die englische Limited Liability Partnership (LLP) kann für in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte eine attraktive Alternative sein. Die Arbeit untersucht die in der Praxis für solche Anwalts-LLPs relevanten berufs-, haftungs-, gesellschafts- und registerrechtlichen Fragen aus internationalprivatrechtlicher und europarechtlicher Perspektive und vergleicht funktional die LLP mit Partnerschaft und GmbH. Insbesondere erörtert die Autorin die Haftung der LLP-Gesellschafter für Berufsfehler sowie die Frage, welche Normen der BRAO Anwendung finden. Die kollisionsrechtlichen Methoden der Substitution und der Anpassung werden diskutiert. De lege ferenda wird eine Neuregelung für das Kollisionsrecht vorgeschlagen.