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Folge, dass es dem Ausländer untersagt ist, sich nach der gesetzten Frist weiterhin
im Bundesgebiet aufzuhalten. Kommt der Ausländer der fristgerechten Ausreisepflicht nicht nach, so kann er nach entsprechender Androhung abgeschoben216
werden und macht sich bei Nichtausreise ggf. strafbar.217
Der Grund für eine Ausweisung und die damit verbundene Ausreiseverpflichtung
ist, dass der Ausländer durch sein Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik beeinträchtigt hat.
Mithin soll primär eine zukünftige Störung derselben durch den Ausländer verhindert werden.218 Mit der Ausweisung werden folgende Zwecke verfolgt:
3.2.2 Spezialpräventiver Zweck
Mit der Ausweisung, die aufgrund einer Straftat verfügt worden ist, soll der Gefahr begegnet werden, dass der konkret hiervon betroffene Ausländer in Zukunft
erneut gegen die Rechtsordnung verstößt. Dies impliziert die Annahme, dass der
Ausländer aufgrund der Schwere seiner Tat in Zukunft eine erneute Gefährdung
darstellen könnte, dass somit eine Wiederholungsgefahr gegeben ist.219
3.2.3 Generalpräventiver Zweck
Des Weiteren wird durch die Ausweisung der Zweck verfolgt, andere Ausländer
von der Begehung ähnlicher Straftaten abzuhalten. Der generalpräventive Zweck
der Ausweisung besteht mithin darin, eine abschreckende Wirkung auf andere
Ausländer zu erreichen, um so die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor weiteren Rechtsverstößen zu schützen.220
3.2.4 Die Rechtsfolgen der Ausweisung
Durch die Ausweisung verliert der Ausländer sein Aufenthaltsrecht, denn durch
diese erlischt gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG) seine
bisher bestehende Aufenthaltsgenehmigung und er wird gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG (§ 42 Abs. 1 AuslG) ausreisepflichtig.221 Widerspruch und Klage gegen die
216 Zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht.
217 Vgl. Renner, Günter (1999), Ausländerrecht – Kommentar, 7. Aufl., München, S. 211 ff.
218 Vgl. Renner, Günter (2005), Ausländerrecht – Kommentar, 8. Aufl., München, S. 447 f.
219 Vgl. Renner, Günter (1999), Ausländerrecht – Kommentar, 7. Aufl., München, S. 231.
220 Vgl. ebenda. Generalpräventive Ausweisungen spielen vor allem bei folgenden Delikten
eine Rolle: illegaler Rauschgifthandel, Raub und räuberische Erpressung, Körperverletzung mit Todesfolge, sexueller Missbrauch von Kindern.
221 Vgl. Renner, Günter (2005), Ausländerrecht – Kommentar, 8. Aufl., München, S. 448.
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Ausweisungsverfügung haben jedoch aufschiebende Wirkung. Die Ausreisepflicht bleibt allerdings bestehen, während die Ausreisefrist verlängert wird.222
Wenn der Ausländer nicht innerhalb der Ausreisefrist die Bundesrepublik verlässt, so macht er sich gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (§ 92 Abs. 1 Nr. 1
AuslG) strafbar und wird gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG (§ § 49 ff. AuslG) abgeschoben, d.h. zwangsweise aus dem Bundesgebiet entfernt. Ferner wird durch die
Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (§ 8 Abs. 2 AuslG) ein Verbot von erneuter Einreise, Aufenthalt und Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung wirksam.223 Will der Ausländer zu einem späteren Zeitpunkt in die Bundesrepublik
einreisen, so muss er die Wirkung seiner Ausweisung, ggf. auch der Abschiebung,
beseitigen. Hierzu muss er gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (§ 8 Abs. 2 S. 2 AuslG)
die Wirkung der Ausweisung befristen lassen.224
3.3 Rechtsgrundlagen
Mit der Zunahme der ausländischen Bevölkerung in Deutschland und den sich
hieraus ergebenden gesellschaftlichen Anforderungen erfuhr das Ausländerrecht
mehrere Modifikationen, insbesondere im Bereich der aufenthaltsbeendenden
Maßnahmen. Rechtsgrundlage für aufenthaltsbeendende Maßnahmen ist heute
das Aufenthaltsgesetz, das in das Zuwanderungsgesetz integriert wurde.
3.3.1 Das Entstehen des Aufenthaltsgesetzes
Die Entstehung des Aufenthaltsgesetzes ist eng mit der Zunahme von Zuwanderung verbunden, die nach Deutschland stattgefunden hat. Während im nationalsozialistischen Regime die Ausländerpolizeiverordnung (APVO) den aufenthaltsrechtlichen Status der geringen Anzahl von Ausländern regelte, so wurde mit
der Zunahme der in Deutschland lebenden Ausländer ab Mitte der 60er Jahre des
letzten Jahrhunderts das Ausländergesetz eingeführt. Dieses wiederum erfuhr –
nicht zuletzt durch den massiven Anstieg der ausländischen Bevölkerung und den
damit einhergehenden gesellschaftspolitischen Problemen – 1991 eine grundlegende Modifikation. Die Veränderungen des Ausländerrechts verdeutlichen, dass
arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitische Gesichtspunkte in den Vordergrund traten. Das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes mit dem darin enthaltenen Aufenthaltsgesetz stellt den aktuellsten Änderungsprozess dar. Die Integration der
222 Vgl. Bamberger, Wilhelm (1997), Ausländerrecht und Asylverfahrensrecht, 2. Aufl., München,
S. 125.
223 Vgl. Renner, Günter (2005), Ausländerrecht – Kommentar, 8. Aufl., München, S. 448 ff.
224 Für die Befristung der Wirkung ist die Ausländerbehörde zuständig, die die Ausweisung
oder Abschiebung verfügt hat, wenn der Ausländer wieder in ihren Bezirk einreisen will;
vgl. hierzu auch Bamberger, Wilhelm (1997), Ausländerrecht und Asylverfahrensrecht,
2. Aufl., München, S. 126.
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References
Zusammenfassung
Für straffällige Ausländer, die in Deutschland geboren oder im Kindesalter eingereist sind, stellt sich eine Ausweisung regelmäßig als „Doppelbestrafung“ dar. Auch die Verwurzelung im Bundesgebiet schützt nach nationalen Maßstäben hiervor nur begrenzt. Betrachtet man das sozioökonomische Profil der Ausgewiesenen, so zeigt sich, dass diese fast ausnahmslos der sog. Unterschicht angehören. Bildungsarmut, Arbeits- und Perspektivlosigkeit sowie der damit einhergehende unsichere Aufenthaltsstatus bestimmen ihr Leben. Im Gegensatz zum bisherigen nationalen Ausländerrecht stellt der Europäische Ausweisungsschutz nun insbesondere für Unionsbürger und assoziationsbegünstigte türkische Staatsangehörige stärker auf faktische Bindungen in der „Heimat“ ab. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive ist nachweisbar, dass er hierdurch ausgesprochen effektiv wirkt und die Ausweisungszahlen in der Ausländerpraxis deutlich reduziert hat.