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3. Ausweisungsrecht
3.1 Staatsangehörigkeitsanknüpfungen
Mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit entstehen für den Eingebürgerten Rechte und Pflichten im Sinne von Wechselwirkungen zwischen Bürger
und Staat. Neben den Privilegien des Wählens und gewählt werden könnens entsteht beispielsweise das Recht, öffentliche Ämter zu bekleiden.181
Für vorliegende Untersuchung ist relevant, dass durch den Erwerb der deutschen
Staatsangehörigkeit aufenthaltsrechtliche Aspekte entfallen. Für Eingebürgerte
spielen die Freizügigkeits- und Aufenthaltsgesetze keine Rolle mehr. Die Gefahr,
bei einer Straffälligkeit ausgewiesen bzw. abgeschoben zu werden, entfällt. Im
Folgenden soll deshalb aufgezeigt werden, unter welchen Umständen der Erwerb
der deutschen Staatsangehörigkeit möglich ist. Die darzustellenden »Hürden« erklären zumindest partiell, warum in Deutschland überproportional viele Migranten nie eingebürgert werden.
3.1.1 Ius sanguinis
Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht folgt grundsätzlich dem Ius sanguinis.
Nach diesem Abstammungsprinzip erwirbt eine Person die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt. Hierzu muss jedoch zumindest ein Elternteil die deutsche
Staatsangehörigkeit besitzen.182
3.1.2 Ius soli
Seit dem 1. Januar 2000 gilt neben dem Abstammungsprinzip auch das Geburtsortprinzip. Danach erwerben Kinder, deren beide Elternteile nicht die deutsche
Staatsangehörigkeit besitzen, unter bestimmten Voraussetzungen mit der Geburt
in Deutschland automatisch auch die deutsche Staatsangehörigkeit.183 Ab Erreichen der Volljährigkeit muss sich der Eingebürgerte dann allerdings zwischen der
deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit entscheiden.184 Dieser Ent-
181 Ausführlich hierzu: Franke, Siegfried F. (1998), Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Heidelberg, S. 21 ff., m.w.N.
182 Vgl. § 4 Abs. 1 StAG. Staatsangehörigkeitsgesetz vom 14. März 2005.
183 Vgl. § 4 Abs. 3 StAG.
184 Vgl. § 29 Abs. 1 StAG.
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References
Zusammenfassung
Für straffällige Ausländer, die in Deutschland geboren oder im Kindesalter eingereist sind, stellt sich eine Ausweisung regelmäßig als „Doppelbestrafung“ dar. Auch die Verwurzelung im Bundesgebiet schützt nach nationalen Maßstäben hiervor nur begrenzt. Betrachtet man das sozioökonomische Profil der Ausgewiesenen, so zeigt sich, dass diese fast ausnahmslos der sog. Unterschicht angehören. Bildungsarmut, Arbeits- und Perspektivlosigkeit sowie der damit einhergehende unsichere Aufenthaltsstatus bestimmen ihr Leben. Im Gegensatz zum bisherigen nationalen Ausländerrecht stellt der Europäische Ausweisungsschutz nun insbesondere für Unionsbürger und assoziationsbegünstigte türkische Staatsangehörige stärker auf faktische Bindungen in der „Heimat“ ab. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive ist nachweisbar, dass er hierdurch ausgesprochen effektiv wirkt und die Ausweisungszahlen in der Ausländerpraxis deutlich reduziert hat.