- doi.org/10.5771/0340-0425-2016-1
- ISSN print: 0340-0425
- ISSN online: 0340-0425
- Nomos, Baden-Baden Nomos, Baden-Baden
Zusammenfassung
Die Zeitschrift Leviathan ist der Idee sozialwissenschaftlicher Aufklärung und Kritik verpflichtet. Sie veröffentlicht aktuelle Forschungsbeiträge und Debatten zu Themen aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Philosophie, Recht und Gesellschaft.
Sie richtet sich an eine breite Leserschaft aus Lehre und Forschung, Politik und Verwaltung, Publizistik und Medien. Im Zeichen eines methodologischen, disziplinären und politischen Pluralismus schlägt sie Brücken zwischen Theorie, Empirie und politischer Praxis.
Homepage: www.leviathan.nomos.de
Abstract
The journal Leviathan devotes itself to enlightenment and criticism in the social sciences. It publishes current research and debate on topics drawn from politics, culture, economics, philosophy, law and society.
The journal is read by practitioners from academic research and education, politics and administration as well as communication and media. With its cross-disciplinary and cross-methodological approach it bridges the gap between theory, empirical evidence and political practice.
website: www.leviathan.nomos.de
- 36–64 Modernisierung, Geopolitik und die neuen russischen Konservativen Katharina Bluhm Katharina Bluhm 36–64
- 155–179 Essay 155–179
Titelei/Inhaltsverzeichnis
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Zu diesem Heft – Tauchen vor Delos
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- doi.org/10.5771/0340-0425-2016-1-3
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Zusammenfassung
Ephesus in Ionien war neben Milet die bedeutendste griechische Siedlung in Kleinasien und ist heute mit der beeindruckenden Celsusbibliothek, den Gebäuden des Stadtrats, dem Prytaneum, dem Trajanbrunnen und einer Reihe hauptsächlich vom österreichischen archäologischen Institut der Erde entborgenen privaten Wohnanlagen eine der am besten erhaltenen Stadtruinen aus der griechischen Antike. Als Hafenstadt einstmals gegründet, liegt sie heute aufgrund von 3.000 Jahren Ablagerungen von Staub und Flusssand des Kleinen Mäander mehrere Kilometer landeinwärts nördlich von Kusadasi, ist ein attraktives Touristenziel und besitzt seit 2015 den Status eines Weltkulturerbes. Zu den historisch bedeutsamen Einwohnern zählten nicht nur der Apostel Paulus, der dort mehrere Jahre seines Lebens verbrachte, davon einige im Gefängnis, wo er die Römerbriefe schrieb, sondern auch, fast 500 Jahre vorher, der Vorsokratiker Heraklit, der der lokalen Oberschicht entstammte und als „der Dunkle“ in die Geschichte der Philosophie eingegangen ist. Heraklit wurde von Hegel und Goethe verehrt und Wilhelm Nestle, der Herausgeber des Standardwerks über die Vorsokratiker, bezeichnete ihn als den tiefsinnigsten der vorsokratischen Denker. Von Heraklit sind nur Fragmente überliefert, über die Sokrates gesagt haben soll, „was ich verstanden habe, ist edel gedacht, und ich glaube, auch das, was ich nicht verstanden habe. Um sie wirklich zu begreifen, müsste man ein delischer Taucher sein“. Heraklit suchte das einfache Leben, lehnte die ihm aufgrund seiner Herkunft zustehende Stellung als Oberpriester ab und überließ sie seinem jüngeren Bruder und wies auch ein Angebot des persischen Königs zurück, als Philosoph an seinen Hof zu kommen, mit den Worten: „Ich fliehe die Sättigung alles angebornen Neides […], da ich mit wenigem, was mir gefällig ist, zufrieden bin.“ In seiner Philosophie wandte sich Heraklit vor allem gegen die oberflächliche Logik der Identität, die in ihrem Bemühen, die Dinge bei einem klaren Namen benennen zu wollen, alles auf ein statisch Eindeutiges und Normierbares zu reduzieren, letztlich doch stets auf die Widersprüchlichkeit des Lebens und der Geschichte stößt. Sein Ansatz war dialektisch und prozessorientiert, und wenn er davon sprach, dass niemand zweimal in denselben Fluss steigen kann, dann wies er damit auch auf die Vergeblichkeit jener Suche nach klaren analytisch unterscheidbaren und isolierbaren Einheiten hin, die zum Kennzeichen der Naturwissenschaften seit dem 19. Jahrhundert geworden ist. Ihr Fehler ist: „Sie verstehen es nicht, wie das Verschiedene unter sich übereinstimmt.“ Im festen Glauben an das „Wissen ist Macht“ des Bacon und den sukzessiven Fortschritt bei gleichzeitiger Zurückdrängung der als fremd und feindlich begriffenen Natur werden jede neue Skipiste und jede neu gegen die Dunkelheit installierte städtische Laterne als heldenhafte Befreiung gefeiert: „Zu der das All regierenden Vernunft, mit der sie es fortwährend zu tun haben, setzen sie sich in Widerspruch, und das, worauf sie tagtäglich stoßen, erscheint ihnen fremd,“ könnte man mit Heraklit meinen. Die Naturwissenschaften sehen sich längst nicht mehr als Wissenschaft der Aufklärung, sondern nur noch als Helfer bei der Schaffung künstlicher und scheinbar berechenbarer Umwelten, in der permanent Innovationen nach ökonomischen oder nach Sicherheitsgesichtspunkten installiert werden. „Warum wollen Sie eigentlich mehr über die Natur wissen? Wissen wir nicht jetzt schon genug?“ Erwin Chargaff, einer der Begründer der Molekularbiologie kannte die Antwort auf diese scheinbar naive Frage genau: „Nein, wir wissen nicht genug; aber wenn es soweit ist, so werden wir die Natur verbessern, wir werden sie ausbeuten. Wir werden die Meister des Weltalls sein“.
10 Jahre Migrationshintergrund in der Repräsentativstatistik: ein Konzept auf dem Prüfstand
Autoren
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- doi.org/10.5771/0340-0425-2016-1-9
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Zusammenfassung
Seit zehn Jahren wird im Mikrozensus der Migrationshintergrund erfasst. Unter Verwendung einer wissenschaftskritischen Diskursanalyse wird gezeigt, dass die Ausdifferenzierung unterschiedlicher Zuwanderergruppen und ihrer Nachfahren zu einer unüberschaubaren Komplexität führt und die Einbeziehung von Teilen der sogenannten dritten Zuwanderergeneration überinklusiv ist.
Abstract
For the last 10 years the migration status is registered as Migrationshintergrund (migration background) in the German micro-census. Using theories from science and technology studies and discourse analysis, the article illustrates how the classification of immigrant groups results in an unmanageable complexity. Furthermore the inclusion of parts of the so-called third generation of immigrants carries the categorization to excess.
Modernisierung, Geopolitik und die neuen russischen Konservativen
Autoren
DOI
- doi.org/10.5771/0340-0425-2016-1-36
- ISSN print: 0340-0425
- ISSN online: 0340-0425
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Zusammenfassung
Der Artikel wendet sich gegen ein vereinfachtes Verständnis des neuen russischen Konservatismus als einer staatlich kontrollierten Ideologie („Putinismus“) und argumentiert, dass für den neuen russischen Konservatismus als Gegenbewegung zum Neoliberalismus die Modernisierungsproblematik von zentraler Bedeutung ist, die mit Geopolitik und wertkonservativen Elementen verknüpft wird. Im ersten Teil wird die Experimentierphase des neuen russischen Konservatismus in der Interaktion mit der politischen Macht zwischen 2003 und 2007 untersucht; im zweiten Teil die Neuaufstellung der Konservativen nach 2012. Dabei wird der Isborsker Klub dem Kreis von Autoren der Hefte über Konservatismus gegenübergestellt.
Abstract
The article takes issue with the simplified understanding of the new Russian conservatism as a state-controlled ideology („Putinism“), arguing instead that as a counter movement to neoliberalism the issue of modernisation, which is linked to geopolitics and conservative values, is of central importance for the new Russian conservatism. In the first part the experimental phase of the new Russian conservatism is investigated in the interaction with the political power for the period 2003-2007; in the second part, the reorganisation of the conservatives after 2012. Here the positions of the „Izborsk Club“ are compared with those of the authors writing in the „Hefte über Konservatismus“.
War Edmund Burke ein Konservativer? Notizen zum Begriff des Konservatismus
Autoren
DOI
- doi.org/10.5771/0340-0425-2016-1-65
- ISSN print: 0340-0425
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Zusammenfassung
Gibt es eine politische Philosophie des Konservatismus? Meist wird versucht, diese Frage zu beantworten, indem die konservative Ideologie mit einer bestimmten Denktradition erklärt wird. Doch gibt es eine solche Tradition überhaupt? Die wichtigsten historischen Darstellungen und Typologien des Konservatismus führen seine intellektuellen Wurzeln einmütig auf die Gegner der Französischen Revolution zurück. Als solcher wird Edmund Burke gewöhnlich als „Vater“ der konservativen Politik herausgehoben. Burke war jedoch ein Whig des 18. Jahrhunderts, der sich für Reformen einsetzte und seine Karriere in den Dienst der Verteidigung der Volksrechte stellte. In diesem Zusammenhang verteidigte er sowohl die amerikanische Revolution gegen das britische Empire als auch das Recht auf Rebellion in Indien und Irland. Aber wie ist seine Stellungnahme zur Französischen Revolution zu verstehen? Dieser Aufsatz stellt Burkes Reaktion auf 1789 wieder in ihren historischen Kontext und widerspricht damit der Mehrheit der Darstellungen konservativer Ideologie des 20. Jahrhunderts, die Denker wie Karl Mannheim, Klaus Epstein, Samuel Huntington und Albert Hirschman entworfen haben.
Abstract
Is there a political philosophy of conservatism? Most attempts to answer this question try to explain conservative ideology in terms of a distinct tradition of thought. But does such a tradition really exist? The principal histories and typologies of conservatism uniformly trace its intellectual origins to the opposition to the French Revolution. Accordingly, Edmund Burke is standardly singled out as the „father“ of conservative politics. Yet Burke was a reforming Whig of the eighteenth century who devoted his career to the defence of popular rights. In this connection, he justified the American revolution against empire and the right of rebellion in India and Ireland. But what are we to make of his response to the French Revolution? By restoring Burke’s reaction to 1789 to its original historical context, this article takes issue with the predominant twentieth-century accounts of conservative ideology developed by such figures as Karl Mannheim, Klaus Epstein, Samuel Huntington and Albert Hirschman.
Realität und Mythos im Ersten Weltkrieg. Das Beispiel Langemarck/Ypern
Autoren
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- doi.org/10.5771/0340-0425-2016-1-97
- ISSN print: 0340-0425
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Zusammenfassung
In der ersten Flandernschlacht im Herbst 1914 versuchte die Oberste Heeresleitung fünf Wochen lang mithilfe von neu aufgestellten Freiwilligenregimentern eine Wende im Stellungskrieg zu erreichen. Anhand von entlegenen Quellen werden die vorherrschenden Mentalitäten auf den Handlungs- und Befehlsebenen verdeutlicht. Die Truppenführung war in dieser Phase des Kriegs den Anforderungen des Stellungskriegs nicht gewachsen und verursachte riesige Verluste, die hier neu quantifiziert werden. Die Heeresberichte haben den kriegsentscheidenden Verlust der Schlacht verschleiert und stattdessen den Mythos von Langemarck, der heldenmütigen Aufopferung auf dem Altar des Vaterlands, kreiert. Wirkmächtigkeit und Missbrauch dieses Heldenmythos galten bis nach dem Zweiten Weltkrieg.
Abstract
In the first battle of Flandres in the autumn of 1914 [in Germany the battle of Langemarck is synonymous with the first Battle of Ypres], the German chief command (OHL) tried to get a turnaround in the ongoing trench war of position. They attacked with barely-trained and poorly-equipped troops of volunteers. In five weeks of fighting horrendous losses were suffered because the upper military ranks didn’t realize that modern fire power required new strategies to reduce losses. If there was „no learning by doing“, the special mentality and impermeable hierarchic structures had to be maintained. The different mentalities are shown by quoting all ranks from the generals to the soldiers on the front. By not communicating the real importance of the battle, the military command reduced the long-lasting battle to a fight near Langemarck, thereby creating a myth of heroism, of patriotic youths singing while going to their death. It is shown that this myth persisted until the end of the Second World War.
Rebellen in Norduganda nach der Rückkehr ins zivile Leben: Zwischen einem starken Wir-Bild und dem Erleben von Isolation und Diskriminierung
Autoren
DOI
- doi.org/10.5771/0340-0425-2016-1-126
- ISSN print: 0340-0425
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- Nomos, Baden-Baden Nomos, Baden-Baden
Zusammenfassung
Der Beitrag beruht auf biographischen Interviews und Feldforschung, die bei zwei Forschungsprojekten zu lokalen Friedens- und Nachkriegsprozessen in zwei verschiedenen benachbarten Regionen Nordugandas durchgeführt wurden. Die Analyse konzentriert sich auf die Rückkehr früherer RebellenkämpferInnen ins zivile Leben. Im Fall Acholilands sind dies meist durch gewaltsame Entführung rekrutierte ehemalige „KindersoldatInnen“ der sogenannten Lord’s Resistance Army, in West Nile meist Männer, die sich als Erwachsene den dortigen Rebellengruppen anschlossen. Wir gehen vor allem auf der Ebene der Erfahrungsgeschichte den Fragen nach: Wie sprechen die aus dem „Busch“ zurückgekehrten RebellInnen über ihre Vergangenheit und Gegenwart? Mit welchen Diskursen sind sie in den Gruppierungen oder Wir-Gruppen konfrontiert, denen sie zugerechnet werden und auf deren kollektive Wissensbestände sie sich beziehen? Wie ist ihre gegenwärtige Lage beschaffen und wie lässt sie sich sozio- und psychogenetisch erklären und verstehen?
Abstract
This article is based on biographical interviews and field research carried out in two adjacent regions of northern Uganda for two research projects on local peace and post-war processes. It focuses on the situation of former rebel fighters following their return to civil life. In the case of Acholiland, these are primarily former „child soldiers“ of the so-called Lord’s Resistance Army who were recruited by violent abduction; in West Nile they are primarily men who more or less voluntarily joined local rebel groups as adults. The following questions relating to the personal experience of the interviewees were investigated: How do rebels who have returned from the „bush“ speak about their past and their present? What discourses do they confront within the groupings, or we-groups, to which they are regarded as belonging, and whose collective knowledge they refer to? What is the nature of their present situation and how can it be socio- and psychogenetically explained and interpreted?
Privates Teilen als Geschäftsmodell? Politische, wirtschaftliche und soziale Probleme der Sharing Economy
Autoren
DOI
- doi.org/10.5771/0340-0425-2016-1-155
- ISSN print: 0340-0425
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- Nomos, Baden-Baden Nomos, Baden-Baden
Zusammenfassung
Zur Sharing Economy werden unterschiedliche Phänomene gezählt, die zwar alle dem Grundsatz „Nutzen statt Besitzen“ folgen, aber nicht immer etwas mit „Teilen“ im Sinne von Verschenken, Eintauschen oder Ausleihen untereinander zu tun haben. Wenn Geld ins Spiel kommt, verwandelt sich sozialer Tausch in ökonomische Transaktionen. Das Internet ermöglicht kurzzeitige und kleinteilige Geschäfte „von privat zu privat“, die sich früher nicht gelohnt hätten. Die Plattformen, die zwischen Anbietern und Nachfragern vermitteln, stellen zweiseitige Märkte mit zwei Gruppen von Kunden dar: diejenigen, die etwas „teilen“ wollen, und jene, die etwas nutzen möchten. Eine Analyse der Logik, nach der diese Plattformen funktionieren, zeigt, dass sie bestimmten Zwängen zum Wachsen um nahezu jeden Preis unterliegen, bei denen gesetzliche oder sonstige Einschränkungen nur hinderlich sind. Das private „Teilen“ gegen Entgelt, das diese Plattformen organisieren, wirft insofern eine Reihe von Fragen auf, die politisch beantwortet werden müssen.
Abstract
„Sharing economy“ refers to different phenomena, all based on the principle of „using instead of owning“; but this is not always „sharing“ in the sense of a gift, an exchange or borrowing among people. When money is involved, it transforms social exchange into an economic transaction. The Internet allows short-term und small-scale business transactions between private persons which previously would not have transpired. The platforms mediating between buyers and sellers provide two-sided markets with two groups of customers: those who want to „share“ something, and those who want to use things or services. An analysis of the logic of these platforms shows that when legal or other restrictions cause specific constraints to rapid growth, they are understood as being merely hinderances. So far the private monetary „sharing“ organized by these platforms raises a number of questions that must be answered politically, but the political actors still have no answers.